"Nicht-transplantabel"

Verfassungsbeschwerde wegen Vermerk

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KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht muss sich voraussichtlich mit der Beschwerde einer nierenkranken Frau beschäftigen.

Im August 2012 hatte das Transplantationszentrum am Klinikum Großhadern bei der damals 43-Jährigen den Vermerk "n.t." auf der Warteliste aufgenommen - "nicht-transplantabel".

Vorausgegangen war diesem Schritt eine E-Mail des Ehemannes der Patientin an den behandelnden Arzt, die als "unverhohlene Drohung" gewertet wurde.

Das Klinikum sah das Vertrauensverhältnis daraufhin als zerstört an und empfahl der Dialyse-Patientin, sich in einer anderen Klinik in Wohnortnähe behandeln zu lassen.

Sie erhielt im Dezember 2013 schließlich eine Spenderniere, klagte aber erfolglos vor dem Verwaltungsgericht München (Az.: M 17 K 13.808) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az.: 5 ZB 14.1919) gegen die Listung als "nicht-transplantabel".

Beschwerde umfasst 55 Seiten

Die 55-seitige Beschwerde der Rechtsprofessoren Wolfram Höfling (Köln) und Heinrich Lang (Greifswald) kritisiert harsch die Urteile, die durch "offensichtliche Unkenntnis über die Verfahrensabläufe in der Transplantationsmedizin" gekennzeichnet seien.

Beide Gerichte hätten die "Grundrechtsposition der Beschwerdeführerin (...) in rechtsstaatlich unerträglicher Weise systematisch ungeschützt gelassen". Höfling und Lang sprechen von einem "systemischen Rechtsschutzdefizit".

Durch die Meldung als "n.t." wurde die Patientin für mehrere Monate nicht bei Verteilungsentscheidungen für Organe berücksichtigt.Die Beschwerdeführer bezeichnen es als "in der einschlägigen Literatur weitgehend unbestritten", dass das System der Organallokation "durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet".

Die "gesetzlichen und sublegalen Verteilungsregeln entfalten nur eine völlig unzureichende Determinationskraft für den Allokationsprozess". Auch von den Kriterien "Erfolgsaussicht und Dringlichkeit" im Transplantationsgesetz gehe keine "hinreichende programmatische Steuerungswirkung" aus, heißt es in der Verfassungsbeschwerde.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte die Verfassungsbeschwerde: "Zum ersten Mal in der deutschen Rechtsgeschichte können die Verfassungsrichter klarstellen, dass Schwerstkranke auf der Warteliste die vollen Bürgerrechte haben", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

Karlsruhe müsse auch klären, welche Gerichte zuständig sind. Bisher befassten sich Zivil-, Sozial- und Verwaltungsgerichte mit diesen Grundrechtsfragen. "Wie das Beispiel München zeigt, sind sie damit hoffnungslos überfordert", so Brysch. (fst)

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