Säumige Zahler

Versicherte schulden den Kassen Milliarden

Die Außenstände der Krankenkassen bei ihren Versicherten sind in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen - auf über vier Milliarden Euro. Das Problem sind die horrenden Säumniszuschläge. Bald soll es Hilfe geben.

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In der Schuldenfalle: Schwarz-Gelb plant Hilfen für säumige GKV-Zahler.

In der Schuldenfalle: Schwarz-Gelb plant Hilfen für säumige GKV-Zahler.

© Pawel Gaul/istockphoto.com

BERLIN. Die Schulden säumiger Selbstzahler bei den Krankenkassen sind auf einen neuen Rekord von 2,15 Milliarden Euro angewachsen.

Ein Grund sind die ungewöhnlich hohen Zinsen von bis zu 60 Prozent im Jahr, die diese Versichertengruppe von in der Regel kleinen Selbstständigen auf ihre Beitragsrückstände bezahlen muss.

Binnen eines Jahres wuchsen die Rückstände dieser Versichertengruppe bis Anfang 2013 um 620 Millionen Euro. Das zeigt eine Übersicht des GKV-Spitzenverbands. Die aktuellen Forderungen der Kassen stiegen auf gut 870 Millionen Euro.

Weitere Forderungen in Höhe von 1,27 Milliarden Euro schlugen die Kassen zumindest befristet nieder, verfolgen sie also nicht mehr.

Ein Gesetz soll die Schuldenfalle nun entschärfen (wir berichteten). Der Entwurf von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) soll in der kommenden Woche vom Bundeskabinett beschlossen werden.

Er zielt darauf ab, den derzeit für die freiwillig versicherten Selbstzahler geltenden Säumniszuschlag von fünf Prozent im Monat auf ein Prozent zu senken. Sie würden damit den säumigen Pflichtversicherten gleichgestellt, für die dieser Satz heute schon gilt. Übrigens: Diese Gruppe schuldet den Kassen derzeit rund 2,3 Milliarden Euro.

Auch für Privatversicherte sieht die Koalition neue Regeln vor. Säumige Zahler sollen in einen Notlagentarif überführt werden.

Warnung vor amerikanischen Verhältnissen

Die Versicherung soll dann nur noch die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen sowie Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft abdecken.

Im Vergleich zu den ersten Plänen sind nur kleinere Änderungen anvisiert. So sollen die Altersrückstellungen von Privatversicherten nur zu 25 statt wie ursprünglich geplant 50 Prozent zum Prämienausgleich herangezogen werden.

"Die große Summe an Beitragsrückständen ist ein Riesenproblem. Viele Versicherte haben kaum die Chance, aus dieser Spirale rauszukommen, selbst bei besten Absichten. Deswegen werden wir etwa den Wucherzins von 60 Prozent im Jahr beenden," sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jens Spahn (CDU) am Mittwoch in Berlin.

Das kann dazu dienen, die betroffenen Versicherten im Alter vor stark steigenden Prämien zu schützen. Weitere Gespräche könnten im Gesetzgebungsverfahren noch zu der Frage geführt werden, was mit den Altschulden geschehen könne, so die Sprecherin.

Das Problem der Nichtzahler wuchs seit 2007, als die Versicherungspflicht eingeführt wurde. Vor allem kleine Selbstständige können die Beiträge hunderttausendfach nicht zahlen.SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach von einem Schnellschuss.

"Das Problem ist nicht die Verzinsung allein", sagte er. Er griff insbesondere den Plan für einen Notlagentarif an. Einen derart abgeschmolzenen Versicherungsschutz anzubieten, führe zu amerikanischen Verhältnissen. Der Gesetzgeber müsse vielmehr die Möglichkeit schaffen, Betroffenen den Weg in eine Bürgerversicherung zu öffnen. (dpa/af)

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Kommentare
Carsten Windt 04.04.201308:21 Uhr

Chaos dank Ulla Schmidt und Karl Lauterbach

Grundsätzlich ist eine Versicherungspflicht in GKV oder PKV zu begrüßen. Aber das Konstrukt, welches Frau Schmidt und ihr damaliger Berater Lauterbach hinterlassen hat ist gelinde gesagt auf dem politischen Niveau eines Erstklässlers. Es wurde weder Rücksicht auf die genommen, die es sich nicht leisten können noch auf die die sich mutwillig dem System durch Nichtzahlung entziehen. Erstere waren vorher über die Sozialhilfe abgesichert. Was in jedem Fall der richtige Weg ist, da es der Staatsaufgabe entspricht, denen zu helfen die es aus eigener Kraft nicht können. Für die übrigen, die einfach nicht zahlen (obwohl sie es können) wurden aber keine sinnvollen rechtlichen Möglichkeiten geschaffen, dass Kassen und Versicherungen an die Beiträge kommen. Folge ist: Die die so blöd sind Ihre Beiträge abzuführen oder denen der Beitrag gleich vom Gehalt abgezogen wird müssen die Fehlbeträge ausgleichen und obendrein für die Behandlungskosten der Zahlungsunwilligen aufkommen.
Wenn der Staat medizinische Versorgung als so wichtig einstuft, muss er auch dafür sorgen, dass jeder seiner Beitragsverpflichtung nachkommt. Leistungspflicht und Verbot der Kündigung wegen Nichtzahlung ist keine Lösung, da der Verursacher für sein Fehlverhalten belohnt wird.

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