Regierung plant
Säumige Beitragszahler raus aus der Schuldenfalle
Wer seine GKV-Beiträge nicht zahlt, bekommt von den Kassen einen monatlichen Strafzuschlag von fünf Prozent aufgebrummt. Die Folge: Viele Betroffene geraten in eine Schuldenspirale. Ihnen will die Regierung jetzt helfen - und auch für die säumigen Beitragszahler der PKV soll sich etwas ändern.
Veröffentlicht:BERLIN. Niedrigere Säumniszuschläge für gesetzlich Versicherte und ein Notlagentarif von höchstens 100 Euro im Monat für Privatversicherte: Die Regierung plant, säumige Beitragszahler sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung zu entlasten.
Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Der Gesetzentwurf werde derzeit zwischen den Ministerien abgestimmt, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. In Kraft treten soll er noch vor der Bundestagswahl im September.
Von fünf auf ein Prozent sollen demnach die Säumniszuschläge sinken, die bislang jeden Monat des Zahlungsverzugs fällig werden.
Spahn: "60 Prozent Zinsen im Jahr, das ist Wucher"
Auslöser der Aktivitäten sind die Effekte, die die Zuschläge auf die Gesamtschuldensumme der betroffenen Versicherten haben.
Die Zuschläge könnten für einen freiwillig versicherten Selbstständigen in Zahlungsschwierigkeiten binnen vier Jahren auf rund 60 Prozent der Summe anwachsen, die er der Krankenkasse schuldet. Das hat die Regierung im Februar auf eine Anfrage der Fraktion der Linken geantwortet.
Bei einem Einkommen von zwischen knapp 1300 und 1900 Euro könnten in diesen 48 Monaten Schulden von rund 19.510 Euro auflaufen. Davon seien allein 10.500 Euro Zuschläge.
"60 Prozent Zinsen im Jahr, das ist Wucher," sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, der "Ärzte Zeitung". Die Schuldner seien hauptsächlich kleine Selbstständige und Existenzgründer.
4,5 Milliarden Euro fehlen den Kassen durch Außenstände
Die Regierung beziffert die Außenstände der Kassen durch Zahlungsverzug auf 4,5 Milliarden Euro. Etwa ein Drittel der Summe soll demnach auf Selbstständige entfallen.
Wie viele Versicherte ihre Beiträge schuldig bleiben, ist nicht bekannt. Es gebe 638.000 offene Konten, sagte die stellvertretende Sprecherin des GKV-Spitzenverbands Ann Marini der "Ärzte Zeitung". Auf eine Person könnten mehrere Konten entfallen.
Die Ursachen für Beitragsrückstände sind nach Angaben des Kassenverbandes vielfältig. Zu nennen seien im Wesentlichen Zahlungsschwierigkeiten der Unternehmen, Zahlungsunfähigkeit aufgrund von Insolvenzen, Nachforderungen aus Betriebsprüfungen und Rückforderungen aus Insolvenzanfechtungen.
Bei den Selbstzahlern sei seit der Einführung der Versicherungspflicht im April 2007 ein spürbarer Anstieg der Beitragsrückstände wahrzunehmen, heißt es beim GKV-Spitzenverband. Zu den Selbstzahlern gehören vornehmlich die freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.
Notlagentarif für Privatversicherte angedacht
Mit dem Gesetz soll ferner ein Notlagentarif für Privatversicherte eingeführt werden. Der soll nach vorläufigen Einschätzungen aus der Versicherungswirtschaft nicht mehr als 100 Euro kosten. Dafür sind dann die Behandlungen akuter Erkrankungen, von Schmerzen sowie bei Schwanger- und Mutterschaft abgesichert.
Bislang landeten säumige Privatversicherte nach einem Jahr Zahlungsverzug im Basistarif. Diese Tarifklasse kann aber teurer sein als Normaltarife und den säumigen Versicherten noch tiefer in den Schuldenabgrund reißen.
"Der geplante Notlagentarif begünstigt nicht die Versicherungen, sondern hilft den Betroffenen mit Schuldenproblemen und gibt ihnen eine zweite Chance," sagte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach.
Die private Assekuranz spricht von etwa 150.000 Kunden, die ihre Beiträge zum Teil seit Jahren nicht entrichtet haben. (Mitarbeit: sun, bee)
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