Warnung vor Impfstau
Vertragsärzte wollen beim Corona-Impfen zügig loslegen
Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung muss spätestens im April mit flächendeckenden Corona-Impfungen in Praxen begonnen werden. Ansonsten drohe sich ein Berg an unverimpften Dosen aufzutürmen, so die KBV.
Veröffentlicht:Berlin. Droht nach dem holprigen Corona-Impfstart in Kürze der Impfstau? Um das zu verhindern, setzen Deutschlands Vertragsärzte auf rasche Impfungen in Praxen. „Das Impfen wird der Weg ins normale Leben zurück sein“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, am Freitag. Ohne zügige Einbindung der niedergelassenen Ärzte werde die Impfkampagne aber „schon bald in einem gigantischen Stau nicht verabreichter, aber dringend benötigter Impfdosen stecken bleiben“.
Rechnerisch ergebe sich angesichts der zu erwartenden Impfstoffmengen die Möglichkeit einer „vollständigen Durchimpfung“ der erwachsenen Bevölkerung bis Ende August dieses Jahres – sofern Vertragsärzte rechtzeitig in die Kampagne einbezogen würden, sagte Gassen.
Der KBV-Chef verwies auf eine Mitte der Woche veröffentlichte Modellierung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Demnach könnten die Kapazitäten der Impfzentren in den Ländern schon im März nicht mehr ausreichen, um alle verfügbaren Dosen gegen COVID-19 zu verimpfen. Dann, spätestens aber im April, könne ein „Berg an Impfdosen“ entstehen, der durch die Impfzentren alleine nicht zu bewältigen sei, sagte Zi-Vorstandschef Dr. Dominik von Stillfried.
„Berg von drei Millionen unverimpfter Dosen“
Bleiben die Arztpraxen außen vor, könnte sich laut Zi ab Mai sogar eine Impflücke von wöchentlich mindestens drei Millionen unverimpften Dosen auftun. Diese könnte bis Juli sogar auf etwa 7,5 Millionen pro Woche anwachsen. Das resultiere insbesondere aus der zusätzlichen Verfügbarkeit des AstraZeneca-Impfstoffs, so das Zi. Der Impfstoff ist gut handhabbar in Praxen, da er nicht bei tiefer Kühlung gelagert werden muss.
Die Bundesregierung geht für das 1. Quartal von insgesamt 17,7 Millionen Corona-Impfdosen aus – davon 5,6 Millionen Dosen des AstraZeneca-Vakzins. KBV-Chef Gassen betonte, bei der zunehmenden Zahl an Impfdosen sei in jedem Fall „zweigleisig“ zu fahren: Impfungen müssten in Zentren und Praxen stattfinden.
Impfen „absolute Routine“
Laut Zi-Modellierung ist von gut 50.000 Praxen auszugehen, die im Schnitt 20 Corona-Impfungen am Tag vornehmen können. Das sei auch zu leisten, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Impfen sei in den Praxen „absolute Routine“. Das belegten auch Versorgungsdaten von 2020: Demnach wurden in den ersten drei Quartalen 3,5 Millionen Pneumokokken- und Influenza-Impfungen mehr vorgenommen worden als im Vorjahreszeitraum. „Das ist ein Plus von 165 Prozent, ein ungeheures Potenzial.“
Für das breite Impfen gegen Corona in den Praxen müssten allerdings ein paar Voraussetzungen erfüllt sein, „damit das glatt läuft“, machte Hofmeister deutlich. Dazu gehörten verlässliche Lieferungen von Impfstoff-Dosen und Verbrauchsmaterialien. Zudem dürften die Impfungen nicht von „zusätzlicher Bürokratie“ begleitet sein. In einer Rechtsverordnung müsse das BMG schließlich eine Abrechnungsziffer für Beratung, Impfung und Dokumentation schaffen. Dann könnten die Praxen loslegen.
Priorisierung bald vom Tisch?
Zur Forderung nach einer rascheren Impfung niedergelassener Ärzte merkte KBV-Chef Gassen an, Ärzte und Praxisteams seien sicherlich stärker gefährdet als Lehrer oder andere Berufsgruppen. Schritten die Impfungen schneller voran, feilsche man aber womöglich um des „Kaisers Bart“, so Gassen. „Wenn das in der großen Masse in die Praxen geht, wird auch die Priorisierung kein wesentliches Thema mehr sein, weil sich die Menschen dann genauso gegen Corona impfen lassen können wie gegen Grippe.“
Bei den Impfungen gegen das Coronavirus komme es in den nächsten Wochen auf „Geschwindigkeit“ an, sagte Zi-Chef Stillfried. „Die Priorisierung wäre ein bremsender Faktor.“