Diesel-Gipfel
Viel heiße Luft für den Gesundheitsschutz?
Der Diesel-Gipfel hat für den Gesundheitsschutz der Bürger vor allem Absichtserklärungen gebracht. Die Sorge um Luftqualität steht zwar an erster Stelle im Abschlusspapier, bei den konkreten Maßnahmen aber sieht es mau aus.
Veröffentlicht:BERLIN. "Für den Gesundheitsschutz hat der Diesel-Gipfel nichts gebracht", sagt Jürgen Resch. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DHU) stuft das Treffen der Politiker und Autobauer als "Debakel für die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung" ein. Denn von dem, was am Ende dabei raus kam, ist er nicht überzeugt: "Das Angebot der Industrie wird die Stickoxid-Emissionen (NOx) der Fahrzeuge nur um zwei bis drei Prozent senken", sagt er.
In der Tat liest sich die Abschlusserklärung des "Nationalen Forum Diesel" – so der offizielle Titel des Treffens – wie ein dürres Lippenbekenntnis. So heißt es eingangs: "Wir werden die von hohen NOx-Emissionen betroffenen Kommunen und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht allein lassen."
Im Konkreten überlassen die Politiker jedoch den Autoherstellern die Frage eines angemessenen Gesundheitsschutzes. Denn oberste Priorität hat die Nachrüstung von rund 5,3 Millionen zugelassenen Diesel-Pkw in den Schadstoffklassen Euro 5 und 6.
Auch fordern die Politiker, dass angesichts der jüngsten Urteile von Verwaltungsgerichten zu Luftreinhalteplänen jetzt entschieden gehandelt werden müsse. Gerichtlich verordnete Fahrverbote in den Kommunen möchten sie jedoch vermeiden.
Umweltexperten nicht am Verhandlungstisch
Dass kein Umwelt- oder Gesundheitsexperte mit am Tisch saß, ärgert DUH-Chef Resch besonders. Für Asthmatiker, Menschen mit Atemwegserkrankungen, Kleinkinder und Ältere bleiben die Diesel-Abgaswerte weiterhin "verheerend".
Zudem würde das verwendete Software-Update den Schadstoffausstoß nur in den Sommermonaten mindern, im Winterhalbjahr jedoch nicht funktionieren. Reschs Prognose: "Ohne Fahrverbote werden sich die Schadstoffe in der Luft nicht reduzieren lassen.
"Der Gipfel hat seinen eigentlichen Auftrag verpasst, die Menschen in den Städten vor schädlichen Stickoxiden zu schützen", sagt auch Greenpeace-Pressesprecher Gregor Kessler. Die Autokonzerne seien mit "billiger Software-Kosmetik" davon gekommen.
Selbst mit der neuen Software würden die Motoren noch gut das Vierfache an Schadstoffen ausstoßen, als eigentlich erlaubt ist. Von Gesundheitsschutz könne nicht die Rede sein. "Wenn ich statt mit 180 mit 120 durch die 30er Zone brettere, macht mich das nicht zu einem vorbildlichen Autofahrer", sagt Kessler.
Zwiespaltiges Urteil des Städtetages
Ambivalent liest sich auch das Statement des Deutschen Städtetages. Dessen Präsidentin, Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse aus Ludwigshafen (CDU), nennt das Treffen "einen wichtigen Auftakt für mehr Gesundheitsschutz, dem weitere Schritte folgen müssen".
An erster Stelle stehen bei ihr "messbare Fortschritte": "Entscheidend wird sein, ob die Schadstoffbelastung durch Diesel-Fahrzeuge schnell genug und stark genug sinkt." Lohse fordert zudem, die "Blaue Plakette" für schadstoffarme Autos bundesweit einzuführen.
Etwa 20 Prozent des Stadtverkehrs gehen laut Deutschen Verkehrsforum (DVF) auf Privatnutzer zurück. Der Verband vereint rund 170 unterschiedliche Mobilitätsunternehmen.
Da der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) etwa 30 Prozent des städtischen Verkehrs ausmache, sei es wichtig, schnell für schadstoffarme kommunale Fahrzeuge zu sorgen. "Ein wichtiges Signal wäre die Selbstverpflichtung der Bundesländer, in den ÖPNV zu investieren", erklärt DVF-Chef Dr. Ulrich Nußbaum.