Dieselgipfel
Schutz der Gesundheit wird zum Thema
Beim Diesel-Gipfel am Mittwoch geht es nicht nur um eine saubere Software für Autos, sondern auch um einen besseren Gesundheitsschutz. Denn jedes Jahr sterben rund 10.000 Menschen vorzeitig aufgrund hoher Stickoxidwerte.
Veröffentlicht:BERLIN. Im Vorfeld des Dieselgipfels am Mittwoch im Bundesverkehrsministerium rückt die Frage eines angemessenen Gesundheitsschutzes immer stärker in den Blick. Dies liegt zum einen am Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichtes zum städtischen Luftreinhalteplan vom vergangenen Freitag. Darin wird dem Schutz der Bürger vor zu hohen Abgaswerten in der Luft die höchste Priorität eingeräumt. Zum anderen verweist die Umweltschutzorganisationen Greenpeace darauf, dass jedes Jahr rund 10.000 Menschen aufgrund hoher Stickoxidwerte vorzeitig sterben.
Zudem sitzt am Mittwoch nicht nur Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), sondern auch Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks mit den Autoherstellern an einem Tisch. Ihr Ministerium ist verantwortlich für den umweltbedingten Gesundheitsschutz. Bereits am Freitag hatte Hendricks das Stuttgarter Urteil ausdrücklich begrüßt. "Darin wird der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Stuttgart klar der Vorrang eingeräumt", sagte sie. Jetzt liege es allein in der Hand der Automobilindustrie, Fahrverbote zu vermeiden. BMUB-Pressesprecher Stephan Gabriel Haufe betont, dass der Gesundheitsschutz trotz aller Debatten um kluge Softwarelösungen für Automobile doch "das eigentliche Thema" sei.
Diese Richtung hatte auch das Stuttgarter Verwaltungsgericht eingeschlagen. Es wertete die Nachrüstungslösung als unzureichend und in ihrer Wirkung nicht hinreichend belegt. Bereits seit 2010 würden die Grenzwerte bei Feinstaub und bei den Stickoxidemissionen überschritten. Eine längere Hinnahme dieses "rechtswidrigen Zustandes" sei nicht hinnehmbar, begründete der Vorsitzende Richter, Wolfgang Kern, das Urteil.
Fahrverbote ab 2018?
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die gegen den Luftreinhalteplan von Stuttgart geklagt hatte, fordert jetzt Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge auszusprechen, wenn die Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden. Schließlich würden durch die zunehmende Luftverschmutzung insbesondere ältere Menschen und Kinder gefährdet werden. "Mit dem Rauchen kann man aufhören, aber mit dem Atmen nicht", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Allenfalls könnten jene, die es sich leisten können, in weniger belastete Wohnviertel umziehen. Resch geht davon aus, dass Fahrverbote zum 1. Januar 2018 kommen werden.
Nach Angaben des Bundesumweltamtes gehen hohe Stickoxid-Werte zu zwei Drittel auf den Straßenverkehr zurück. Etwa drei Viertel davon werden durch die Diesel-Fahrzeuge ausgelöst.
Greenpeace hatte am Montagmorgen in einer Protestaktion am Verkehrsministerium darauf aufmerksam gemacht, dass 10 610 Menschen pro Jahr aufgrund hoher Stickoxidwerte vorzeitig sterben würden. Die Umweltschutzorganisation beruft sich dabei auf Daten der Europäischen Umweltagentur. Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals am 18. September 2015 ergeben sich somit rechnerisch 19.807 Sterbefälle. "Die fortgesetzte Untätigkeit des Verkehrsministers grenzt an unterlassene Hilfeleistung", sagt Greenpeace Energieexperte Niklas Schinerl.
Laut einer Studie des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts, die Greenpeace in Auftrag gegeben hatte, ist die Sterblichkeit in Gebieten mit einer hohen Belastung durch Stickstoffdioxide höher, ebenso das Risiko für Lungenkrebs. Kinder entwickeln häufiger Asthma, wenn sie verkehrsnah wohnen. Bei einer kurzfristig erhöhten Belastung sei neben einer erhöhten Sterblichkeit auch mit mehr Notfallkonsultationen und Klinikeinweisungen zu rechnen.