Vielen älteren Menschen werden Reha-Leistungen vorenthalten

Pflegebedürftigkeit vermeiden - darum geht es bei der Rehabilitation älterer Menschen. Bei der Umsetzung gibt es aber Probleme. Es mangelt an Transparenz, und die ambulant-stationäre Vernetzung hat oft Defizite.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Gut versorgt im hohen Alter? Bei der Reha gibt es immer noch Defizite.

Gut versorgt im hohen Alter? Bei der Reha gibt es immer noch Defizite.

© bilderbox / fotolia.com

BERLIN. Ein umfassendes Arztgespräch zusätzlich zu einer intensiven Untersuchung soll die Rehabilitation älterer Schlaganfallpatienten zielgerichtet zum Erfolg führen. Diesen Assessment-Ansatz wollen die AOK Baden-Württemberg und das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg ab Herbst 2010 verfolgen.

Ziel des Praxistests sei, die Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, sagte Rolf Hoberg, Chef der südwestdeutschen AOK, beim 1. Fachkongress für Rehabilitationsforschung und Versorgungsmanagement in Berlin. Weil es an Transparenz sowie einer Vernetzung von Klinikbehandlungen, häuslicher Krankenpflege und assistierten Wohnformen fehle, stehe die Rehabilitation älterer Patienten im Abseits. Darauf hätten sie aber wie alle Versicherten einen Anspruch.

Der neue Ansatz hat sich aus der Studie "Arise" des Instituts für Gerontologie der Uni Heidelberg entwickelt. Die Studie habe gezeigt, dass das Alter der Schlaganfallpatienten keine Rolle dabei spiele, ob und welche Reha-Leistungen sie erhalten sollten, sagte der Leiter des Instituts, Professor Andreas Kruse.

Tatsächlich würden älteren Menschen aber Reha-Leistungen vorenthalten. Ärzte schätzten die Chancen der Anwendungen bei Senioren schlechter ein als bei Jüngeren, sagte Professorin Ulla Walter von der Medizinischen Hochschule Hannover. Das liege zum einen an der fehlenden Qualifikation - 2008 hätten nur 28 Prozent der niedergelassenen Ärzte über Zusatzqualifikationen im Fach Gerontologie verfügt - und an den für Hausärzte nicht zu durchschauenden Begutachtungsverfahren. Bei ablehnenden Bescheiden der Kostenträger sinke bei den Hausärzten oft die Motivation, um für die Rehabilitationsleistungen für ihre betagten Patienten zu kämpfen.

Erhalten ältere Menschen eine Reha, bekommen sie oft nicht das, was sie brauchen. "Wir sollten nicht immer das trainieren, von dem wir glauben, dass jemand es können muss", sagte Professor Johann Behrens von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Standardisiertes Vorgehen könne sogar Autonomie gefährdend wirken.

Hintergrund der von der AOK und der Uni Heidelberg angestoßenen Debatte sind die explodierenden Kosten in der Pflege. Auf die Kassen kämen in den kommenden zehn Jahren Mehrausgaben von 28 Milliarden Euro zu, wenn die Zahl der Menschen über 80 Jahre von heute vier auf sechs Millionen im Jahr 2020 steige, hieß es auf dem Kongress in Berlin. Statt alte Menschen in die Pflege abzuschieben, sollten deren körperliche, psychische und kognitive Merkmale durch eingehende Untersuchungen identifiziert und bei der Reha berücksichtigt werden. Nur so könne eine schnelle und dauerhafte Genesung erreicht werden.

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Kommentare
Dr. Christoph Luyken 11.07.201020:01 Uhr

Ob Reha- oder andere Leistungen: Zunehmende Einschränkungen sind Folge der Krise im Gesundheitswesen

Es ist nicht Schuld der Ärzte, wenn (nicht nur) ältere Menschen weniger Leistungen erhalten! Eine Zusatzqualifikation in Geriatrie nützt da überhaupt nichts.

Ich erlebe eine seit Monaten zunehmende Tendenz, daß vorgeschlagene. beantragte oder verordnete Leistungen seitens der Kostenträger grundsätzlich erst einmal abgelehnt werden.
Es ist schon richtig, daß "Begutachtungsverfahren für Hausärzte nicht gut zu durchschauen" sind. Leicht zu durchschauen ist aber die Finanznot, die an vielen Stellen im System drückt. Da ist es kein Wunder, daß "bei ablehnenden Bescheiden der Kostenträger bei den Hausärzten oft die Motivation sinkt, um für die Rehabilitationsleistungen für ihre betagten Patienten zu kämpfen". Man kommt sich als Arzt, der eine Leistung vorschlägt bzw. verordnet, regelmäßig verhöhnt vor, wenn es nicht reicht, das einmal zu bewcheinigen, sondern daß immer noch zusätzliche Atteste verlangt werden. Daß diese bürokratische Mehrarbeit auch noch nicht vergütet wird, läßt inzwischen die gesamte Motivation der Ärzte gegen null tendieren.

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