Impfziel erreicht?
Von der Leyen ruft mit ihrer EU-Impferfolgsbilanz Kritik hervor
Hat die Europäische Union ihr im Frühjahr ausgegebenes Corona-Impfziel erreicht? Ja, heißt es aus Brüssel, wo Ursula von der Leyen eine Erfolgsbilanz zieht. Das sorgt für Entrüstung.
Veröffentlicht:Brüssel. Wenn die Präsidentin der Europäischen Kommission zu einer eigens einberufenen Pressekonferenz ruft, muss es etwas Wichtiges zu sagen geben. Am Dienstag wählte Ursula von der Leyen denn auch große Worte: „Die EU hat Wort gehalten und geliefert“, sagte sie. Denn: „Unser Ziel war es, im Juli 70 Prozent der Erwachsenen in der Europäischen Union durch mindestens eine Impfung zu schützen. Dieses Ziel haben wir heute erreicht.“
Zwar schob sie noch nach, dass „57 Prozent der Erwachsenen bereits den vollen Impfschutz einer doppelten Impfung genießen.“ Aber sie konnte da schon nicht mehr verhindern, dass für Brüsseler Sommerverhältnisse so etwas wie ein Sturm der Entrüstung ausbrach.
Kritik an Eigenlob
Denn die vollmundige Erfolgsbilanz, mit der sich die EU-Behörde in die traditionelle Urlaubspause verabschieden wollte, ging gehörig daneben. Nur wenige Stunden später sah sich der Sprecher von Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides kritischen Nachfragen der EU-Korrespondenten ausgesetzt. Denn tatsächlich hatte die Kommission im Frühjahr das 70-Prozent-Ziel bei den Corona-Impfungen ausgegeben, da allerdings von einem vollen Impfschutz gesprochen.
Von dem sind die 27 Mitgliedstaaten aber weit entfernt. Denn die jetzt genannte Quote ist lediglich ein Durchschnittswert, den etliche Mitgliedstaaten drücken, weil sie weit darunter liegen. So meldeten EU-Länder wie Lettland und Rumänien Impfquoten von deutlich unter 50 Prozent.
Auch Deutschland erreicht Ziel nicht
Und auch Deutschland erreicht das ausgegebene Ziel nicht – vor allem, wenn man nur die Erstimpfung zählt, deren Schutz nach Angaben der EU-eigenen Institutionen ohnehin nur begrenzt ist. Also versuchte die Behörde in diversen Stellungnahmen noch im Laufe des Tages, die Angaben der Präsidentin wieder zu relativieren. Aus dem Umfeld von Kyriakides hieß es dazu, zwar seien noch keine 70 Prozent geimpft, aber man habe den Mitgliedstaaten den für diese Quote notwendigen Impfstoff geliefert.
Nun müssten die Behörden vor Ort alles tun, um die Menschen auch zu impfen. Die Kommission leiste dazu „jede gewünschte politische Unterstützung“. Einen neuen Stichtag, bis zu dem wirklich 70 Prozent aller erwachsenen EU-Bürger den vollen Schutz gegen das Coronavirus haben, wollte man am Dienstag in Brüssel nicht nennen.
Hinter den Kulissen kursiert zwar der 15. August, aber den mochte dann doch niemand bestätigen. Nicht nur in Deutschland ist die Impfkampagne nämlich erlahmt.