Bayern
Wechsel zu echter Bedarfsplanung nötig
Patienten vor Ort sollten das bekommen, was sie tatsächlich benötigen – darüber herrschte Konsens bei den Teilnehmern des Deggendorfer Forums. Weniger über den Weg dorthin.
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Moderiert von Wolfgang van den Bergh („Ärzte Zeitung“, v.l.) diskutierten Dr. Wolfgang Krombholz (KV Bayerns), Dr. Gerald Quitterer (BLÄK), Siegfried Hasenbein (Bayerische Krankenhausgesellschaft), Ruth Nowak (Gesundheitsministerium), Stephan Stracke (CSU), Dr. Hans-Peter Hubmann (Apothekerverband) und Prof. Wolfgang Greiner (Sachverständigenrat).
© Thorsten Schüller
DEGGENDORF. Wie kann eine hochwertige und am Bedarf ausgerichtete gesundheitliche Versorgung in Bayern sichergestellt werden? Diese Frage diskutierten etwa 140 Fachleute aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen beim 16. Barmer-Forum in der Technischen Hochschule Deggendorf.
Gesundheitsversorgung kann nur dann bedarfsgerecht gewährleistet werden, wenn sie über Sektorengrenzen hinweg geplant und vergütet wird. Darin waren sich die Teilnehmer des Deggendorfer Forums weitgehend einig. „Wir müssen endlich dahin kommen, dass der Patient vor Ort das bekommt, was er tatsächlich benötigt. Ein Ansatzpunkt dafür ist es, die heutige Kapazitätsplanung nach Arztsitzen oder Bettenzahlen mittelfristig durch eine Planung zu ersetzen, die sich am tatsächlichen medizinischen Bedarf der Bevölkerung in einer Region orientiert“, sagte Professorin Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern.
Die Diskussionen offenbarten aber auch, dass die Positionen der Experten zum Teil weit auseinander gehen, wenn es darum geht, wie ambulanter und stationärer Bereich tatsächlich enger verzahnt werden können. So rammte Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, erstmal Pflöcke ein, indem er die Bedeutung der Krankenhäuser als Rückgrat der Versorgung herausstellte und darauf verwies, dass diese zunehmend ambulante Tätigkeiten übernehmen. Er räumte ein, dass es bei den Schnittstellen zum ambulanten Sektor noch Optimierungsbedarf gebe und die Aufgaben sinnvoll geteilt werden müssten.
Auch die Politik sieht zwischen der ambulanten und stationären Welt erhebliche Differenzen. Stephan Stracke, Bundestagsabgeordneter und Vize-Chef der CSU-Landesgruppe, sprach von einer unsichtbaren Mauer zwischen den Sektoren: „Da gibt es mehr ein Nebeneinander als ein Miteinander.“ Andererseits gestand er ein, dass der Gesetzgeber noch nicht weit gekommen sei bei dem Versuch, diese Barriere zu überwinden.
Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, schlug dagegen versöhnlichere Töne an, indem er bewusst von einer sektorenverbindenden und nicht von einer sektorenübergreifenden Versorgung sprach. Allerdings machte Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstandsvorsitzender der KV Bayerns deutlich, dass sich die niedergelassenen Ärzte angesichts der Veränderungen im ärztlichen Bereich und der aktuellen Gesetzesvorhaben erheblich in der Defensive sehen. „Alle Vorschläge gehen zu Lasten der Niedergelassenen“, klagte Krombolz. Die Ärzte befänden sich in einem Abwehrkampf gegen eine falsche Verteilungspolitik.
Immerhin signalisierten die Apotheker, dass sie mit Blick auf das Thema Impfen keine neue Front zu den Ärzten aufmachen wollen. „Das halte ich für völlig überzogen“, sagte Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes und fügte hinzu, dass ihm dafür die Partnerschaft mit den Ärzten zu wichtig sei.
Studie relativiert?
Übereinstimmung herrschte unter den Fachleuten in Bezug auf die jüngste Bertelsmann-Studie, die eine Schließung zahlreicher Krankenhäuser anregt. Das sei eine private Studie, versuchte Ruth Nowak, Amtschefin des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, die Bedeutung der Untersuchung zu relativieren. Die Politik müsse aber nicht über jedes Stöckchen springen. Professor Wolfgang Greiner, Mitglied des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, stellte fest, dass es bei dem Thema keinen Mangel an Erkenntnissen gebe. „Wenn es aber um die Schließung eines konkreten Krankenhauses geht, dann beginnen die Probleme.“
Angesichts der teils stark divergierenden Ansichten – auch zu Themen wie Fehlanreize, Mehrversorgungszentren und Digitalisierung – stellte Barmer-Geschäftsführerin Wöhler fest, dass zwar alle das Gleiche wollten, nämlich eine qualitativ gute Versorgung von Patienten. Allerdings seien die Interessen sehr unterschiedlich. Worauf sie die Frage stellte, ob sich in der Branche nur etwas bewegt, wenn ein engagierter Minister sie antreibt, oder ob nicht die realen Veränderungen Antrieb genug sein müssten? Gründe für einen Strukturwandel in der medizinischen Versorgung gebe es jedenfalls genug.