Widerstand aus Niedersachsen
Weil will Spahns Griff in GKV-Reserven bremsen
Acht Milliarden Euro sollen die Kassen aus ihren Reserven beisteuern, um das Corona-Finanzloch zu stopfen. Aus Niedersachsen kündigt der Ministerpräsident Widerstand an.
Veröffentlicht:Hannover. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat davor gewarnt, die steigenden Kosten für die Corona-Pandemie allein durch die Erhöhung von Zusatzbeiträgen der GKV-Mitglieder zu finanzieren. Es geht um acht Milliarden Euro, die nach Plänen der Bundesregierung aus den Reserven der Krankenkassen bezahlt werden sollen.
Der Ministerpräsident kündigte in einem Interview mit dem „Tagespiegel“ eine Bundesratsinitiative gegen dieses Vorhaben an. Diese soll verhindern, dass die Kosten überproportional auf die Kassen abgewälzt werden, hieß es.
Konkret: Der Betrag, der aus dem Abschmelzen der Kassenreserven gewonnen werden soll, solle von acht auf zwei Milliarden Euro gesenkt werden. Der so entstehende Fehlbetrag soll aus Steuermitteln gezahlt werden, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums der „Ärzte Zeitung“.
Vermittlungsausschuss soll angerufen werden
„Schließlich betreffen die Mehrkosten für die Pandemie alle Bürger“, sagte der Sprecher. Ziel der Bundesratsinitiative sei, das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) der Bundesregierung zu stoppen und notfalls den Vermittlungsausschuss anzurufen, so Weil. Allerdings ist der Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn zustimmungsfrei, könnte dauerhaft somit nicht vom Bundesrat aufgehalten werden.
Der Ministerpräsident warnte vor „knackigen Beitragserhöhungen“ im kommenden Jahr. „Jetzt kommt ein richtiger Griff in die Kassen, das hält das System nicht aus.“ Die Kassen würden in die roten Zahlen rutschen. Letztlich seien Beitragserhöhungen „verdeckte Steuererhöhungen“, so Weil.
Besonders Kassen, die gut gewirtschaftet haben, würden bestraft. Zudem komme der dickste Kostenbrocken erst noch: „Wenn es gut geht, wird im nächsten Jahr eine umfassende Impfwelle durch Deutschland gehen, die sehr viel Geld kosten wird“, so Weil.
In der Tat hätten vergleichsweise kleine Kassen wie die AOK Bremen/Bremerhaven besonders zu leiden, wenn Spahns Gesetzentwurf durchkommt, sagt Olaf Woggan, Vorstandsvorsitzender der AOK an der Weser.
32 Millionen Euro stehen auf dem Spiel
Jede Kasse, die mehr als 40 Prozent einer Monatsausgabe zurückgelegt hat, müsste nach dem Willen Spahns davon 66 Prozent abgeben. Dies trifft auf die Bremer AOK zu – sie verlöre rund 32 Millionen Euro, so Woggan.
Damit finanzierte die AOK Bremen/ Bremerhaven die Leistungsausgaben jener Kassen mit, die keine Rücklagen erwirtschaftet hätten, kritisierte der Vorstandschef. „Das bringt uns in akute Probleme, denn wir müssten ganz kurzfristig den Zusatzbeitrag erhöhen. Damit haben wir nicht gerechnet.“ Weil dürfte nicht der einzige sein, der Spahns Vorhaben ablehnt.
„Auch andere Länder sehen Spahns Gesetzentwurf kritisch“, sagt der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. „Im Gesundheitsausschuss des Bundesrates wird man nun eine gemeinsame Linie abstimmen.“ Das GPVG wird am 29. Oktober erstmals im Bundestag beraten. Der Bundesrat beschäftigt sich am 6. November mit der umstrittenen Vorlage. (mit dpa-Material)