Gerontorheumatologie
Wer versorgt alte und rheumakranke Patienten?
Rheuma nimmt mit dem Alter zu, und für betagte Rheumapatienten ist ein erheblicher Versorgungsaufwand notwendig. Nun fordern Fachärzte neue Konzepte, um den Anforderungen gerecht werden zu können.
Veröffentlicht:Die Lebenserwartung steigt und damit auch das Risiko für entzündlich-rheumatische Krankheiten. Dazu gehören die Rheumatoide Arthritis ebenso wie Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis sowie weitere rheumatische Erkrankungen des fortgeschrittenen Lebensalters. Jung erkrankte Rheumapatienten werden zudem immer älter.
Deutschland braucht daher geronto-rheumatologische Versorgungskonzepte, auch weil der Versorgungsaufwand bei Rheuma mit dem Alter immens zunimmt.
Das liegt zum einen an der zunehmenden Multimorbidität und der damit verbundenen Gefahr einer Polypharmazie, zum anderen daran, dass der Funktionserhalt und die Vermeidung von Behinderung immer schwieriger wird.
Zu Gelenkproblemen kommen kardiovaskuläre, nephrologische, osteologische und weitere Risiken, die aus der chronischen entzündlichen Krankheit resultieren. Probleme machen medikamentöse Therapien ebenso wie alterstypische Krankheiten, nicht zu reden von kognitiven Einschränkungen und sozialen Problemen.
Dabei bewegen sich die Patienten vor allem an den Schnittstellen zwischen Hausarzt und ambulant tätigem Rheumatologen sowie rheumatologischen Akutkrankenhäusern, anderen Kliniken und Reha-Einrichtungen. Welcher der Ärzte behält den Überblick und die Fäden in der Hand?
Der Hausarzt hat mit der zunehmenden Spezialisierung in der Medizin zu kämpfen, und die Zahl der Hausärzte nimmt ab. Kann es dann der internistische Rheumatologe sein? In 35 Stadt- und Landkreisen ist kein einziger Rheumatologe zu finden.
Und orthopädische Rheumatologen fokussieren vor allem auf die Früherkennung sowie die Gelenkproblematik. Wie bei anderen chronischen Krankheiten werden daher je nach Verfügbarkeit niedergelassene Fachärzte oder Hausärzte die Lotsenfunktion übernehmen müssen.
Aufwändige Betreuung
Der Umgang mit betagten Rheumapatienten wird zu einem massiven wirtschaftlichen Problem für die Praxis. "Die einzelnen Schritte der medizinischen Betreuung sind oft zeitraubend und belasten den Ablauf in einer Praxis stark", beschreibt Professor Christoph Fiehn vom ACURA-Rheumazentrum in Baden-Baden die Situation (Zschr Rheumatol 2014; 73: 217).
Das beginne bei der Medikamentenanamnese, gehe weiter beim Entkleiden für die körperliche Untersuchung bis hin zur Aufklärung über und Einwilligung zur weiteren Therapie.
Bei zu wenig Rheumatologen in der Fläche und langen Wartezeiten für einen Termin resultiere daraus ein erhöhter Zeitdruck im Praxisablauf, erklärt Fiehn. "Eine große Anzahl von älteren Rheumapatienten kann daher zur Belastung werden."
Und die Honorierung ist für alle Rheumapatienten die gleiche. Auch rheumatologische Akutkrankenhäuser haben nach Fiehns Angaben mit wirtschaftlichen Problemen bei der Versorgung älterer Patienten zu kämpfen. Denn die spezifisch geriatrischen Anteile der Versorgung von Rheumapatienten werden im Fallpauschalensystem nicht berücksichtigt. Fiehn und seine Kollegen haben an der ACURA-Rheumaklinik in Absprache mit den Kassen eine gerontorheumatologische Komplexbehandlung etabliert.
Sie verbindet Anteile der rheumatologischen mit der geriatrisch-frührehabilitativen Therapie. Dabei könnten Rheumatologen in vielerlei Hinsicht von der Geriatrie profitieren, sagt Fiehn.
Sie biete bereits viele Strukturen für den Umgang mit der Multimorbidität: Routinemäßig werden kognitive Beurteilungen vorgenommen, sozialmedizinische Konzepte berücksichtigt und systematisch Medikamentenwechselwirkungen erfasst. In Baden-Baden arbeiten Rheumatologen, ein Geriater, Physio- und Ergotherapeuten sowie eine Sozialarbeiterin eng zusammen.
Gerontorheumatologisches Versorgungskonzept
Für die ambulante Versorgung stellt sich Fiehn interdisziplinäre Versorgungseinheiten vor, etwa in Medizinischen Zentren oder Gruppenpraxen. Im Idealfall kooperiert ein internistischer Rheumatologe mit einem nephrologisch und hypertensiologisch erfahrenen Internisten, mit einem Angiologen und Orthopäden sowie mit Physio- und Ergotherapeuten, Ernährungsberatern und Sozialarbeitern.
Zusätzlich sieht Fiehn Möglichkeiten in der Delegation ärztlicher Leistungen an rheumatologische Fachassistentinnen, also speziell fortgebildete Arzthelferinnen und Krankenschwestern.
Diese könnten zeitaufwendige Tätigkeiten wie strukturierte rheumatologische und geriatrische Assessments übernehmen. Und schließlich sind Vergütungsstrukturen notwendig, die die Qualität der Versorgung im ambulanten wie im stationären Sektor adäquat abbilden.