Enterale Ernährung

Wie Homecare die Therapie verbessert

Eine enterale Ernährungstherapie braucht ein engmaschiges Versorgungsnetz. Drei Krankenschwestern machen mit ihrem Homecare-Dienst vor, wie so etwas auch im häuslichen Umfeld bei älteren Patienten funktionieren kann.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Vorbereitung für die Besuchstour: Andrea Hoppe ist eine der drei Krankenschwestern im Homecare-Team Romaschow. Gemeinsam betreut das Team in den Regionen Rhein-Neckar, Odenwald und Pfalz 120 Patienten mit einer Ernährungssonde und/oder mit Problemwunden.

Vorbereitung für die Besuchstour: Andrea Hoppe ist eine der drei Krankenschwestern im Homecare-Team Romaschow. Gemeinsam betreut das Team in den Regionen Rhein-Neckar, Odenwald und Pfalz 120 Patienten mit einer Ernährungssonde und/oder mit Problemwunden.

© Ingeborg Bördlein

Es war im Jahr 1991, als sich Monika Romaschow nach ihrer Tätigkeit im Klinikum Mannheim selbstständig machte. Die Krankenschwester für Intensivmedizin hatte schon in der Klinik in der Ernährungstherapie Erfahrungen gesammelt und erinnert sich: "Ich war eine der ersten im Rhein-Neckar-Raum, die einen ambulanten Homecare-Dienst aus dem Boden gestampft haben."

Damals sei diese Entwicklung noch in den Anfängen gewesen. Sie versorgt ihre Patienten schon über Jahre - nicht selten auch jahrzehntelang wie etwa jene Frau mit Kehlkopfkrebs, deren enterale Ernährung sie seit 15 Jahren managt. Die Frau war damals kachektisch und depressiv. Sie wollte nicht mehr leben.

"Ich habe sie wieder aufgebaut", sagt Monika Romaschow - und das nicht nur über die Ernährung, sondern auch seelisch. Die enterale Ernährung sichert der mittlerweile über 8o-Jährigen bis heute ein lebenswertes Leben: "Sie zieht sich schick an, kocht für ihren Mann, geht einkaufen", freut sich die Ernährungsberaterin.

Mittler zwischen Arzt und Patient

Anleitung zur Selbsthilfe - auch das gehört zu den Aufgaben der heimbasierten Ernährungstherapie.

Anleitung zur Selbsthilfe - auch das gehört zu den Aufgaben der heimbasierten Ernährungstherapie.

© Romaschow

Neben Romaschow gehören noch zwei weitere Krankenschwestern, eine ebenfalls mit intensivmedizinischer Ausbildung, zum Team. Sie haben sich zu einem Homecare-Ernährungsteam inklusive Wundversorgung zusammengeschlossen, das in den Regionen Rhein-Neckar, Odenwald und Pfalz 120 Patienten mit einer Ernährungssonde und/oder mit Problemwunden betreut.

Die Expertinnen in Sachen enteraler Ernährung und Wundversorgung verstehen sich als Mittlerinnen in der häuslichen Betreuung zwischen Patienten, Ärzten und Therapeuten.

"Wir sind nahe an den Patienten und erkennen oft Dinge, die den Ärzten und Therapeuten verborgen bleiben, so können wir sehr viel Positives für unsere Patienten bewirken", sagt Krankenschwester Andrea Hoppe, die seit zehn Jahren im Team ist.

Neben den Krebskranken , die sich nicht mehr oral ernähren können, stellen Schlaganfallpatienten mit Schluckstörungen - und oft zusätzlichem Diabetes - den Hauptanteil der Patienten. Außerdem versorgt das Team nunmehr seit zehn bis 15 Jahren zwei Patienten mit Multipler Sklerose und zwei Patienten mit einer Amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

Das Team betreut aber auch viele Alterspatienten und an Demenz Erkrankte mit Mangelernährung, die entweder noch zu Hause oder im Pflegeheim leben.

Das Team um Monika Romaschow wird von Kliniken, Sozialdiensten, Pflegeheimen, Haus- und Fachärzten oder Angehörigen der Betroffenen eingeschaltet, wenn es gilt, eine häusliche Ernährungstherapie für einen Patienten einzuleiten.

Die Verordnung erfolgt über die behandelnden Ärzte. Idealerweise wird der Kontakt schon in den Kliniken hergestellt, sagt die Dritte im Bunde, Christine Klatt-Winnige, die seit sieben Jahren als "jüngstes Mitglied" im Team ist.

Das enterale Ernährungsregime wird in der Klinik mit den Ärzten besprochen und nach der Entlassung zu Hause etabliert. Oft würden die Patienten aber auch entlassen und nichts sei geregelt, dann müsse das Ernährungsregime zu Hause vom ambulanten Ernährungsteam in Kooperation mit den zuständigen Hausärzten festgelegt werden.

In ihrer langjährigen Tätigkeit ist ein Netzwerk aller Beteiligten - bestehend aus Ärzten, Pflegediensten, Patienten, Angehörigen und Therapeuten - entstanden. Die Kontakte zu den Ärzten seien anfangs manchmal etwas holprig, schmunzelt Frau Romaschow, aber das Vertrauen wachse zunehmend in der gemeinsamen Betreuung der Patienten.

Problemfeld Pauschalerstattung

Dass die Patienten mit der Versorgung zu Hause zufrieden sind, hat eine kürzlich durchgeführte Patientenbefragung im Zuge der Rezertifizierung des Teams gezeigt: Die drei Krankenschwestern hätten durchweg die Note "sehr gut" erhalten.

Sie machen ihren Beruf sehr gerne, beteuern die Frauen des eingespielten Teams, denn es obliegt ihnen selbst, wie sie ihre Arbeit gestalten. Doch Betriebschefin Romaschow spricht auch offen über die Probleme der Selbstständigkeit. Die Finanzsituation für die Home-Care-Teams werde immer angespannter.

Die ärztlichen Rezepte werden direkt mit den Kassen abgerechnet. Früher seien auch Dienstleistungen wie Patientenschulungen von den Kassen bezahlt worden, seit Jahren würden nur noch Pauschalbeträge je Patient und Monat für die Ernährungsprodukte und Hilfsmittel von den Kassen erstattet. Egal, ob der Patient eine hochkalorische und damit kostenintensive enterale Ernährung benötige oder eine Standardernährung.

So erstatte zum Beispiel eine Ersatzkasse 238 Euro pro Patient im Monat zuzüglich 127 Euro für die Überleitungssysteme. Das sei etwa für Patienten mit HNO-Tumoren, die eine hochkalorische Kost benötigten, nicht mehr kostendeckend.

Über die von den Kassen ins Feld geführte Mischkalkulation sei das kaum aufzufangen, sagt Romaschow - wenn man wie ihr Team viele Krebspatienten betreut. "Ich kann diese Patienten doch wegen der Mischkalkulation nicht im Stich lassen."

Die Schulungen und Beratungen für Patienten und Angehörige beim Entlassmanagement erfordern vorneweg zwei Stunden, dazu kommt der zusätzliche Zeitaufwand bei Komplikationen wie Erbrechen oder Diarrhoe - von der Rufbereitschaft rund um die Uhr und den Wochenenddiensten ganz zu schweigen.

Das werde finanziell nicht abgedeckt. "Die meisten Ärzte wissen gar nicht, wie wir uns finanzieren, einige wenige fragen uns danach", sagt die Teamchefin, "dann wundern sie sich schon, wie wir das stemmen."

Kaum Geld für neue Methoden

Die Wundversorgung ist das zweite Standbein des Teams. Alle drei Krankenschwestern haben eine Qualifikation als Wundberaterin und haben sich inzwischen auch einen guten Ruf als Wundexpertinnen bei Betroffenen, Pflegediensten und Ärzten erworben. Sie arbeiten mit modernen Methoden des Wundmanagements.

Die feuchte Wundversorgung mit modernen Materialien wie Polyurethanschäumen sei zwar teurer, aber wesentlich effektiver und für die Patienten angenehmer, erklärt Wundberaterin Christine Klatt-Winnige.

Denn mit diesem Regime sei nur zwei bis dreimal wöchentlich ein Verbandswechsel nötig. Das reduziere die Schmerzen für die Patienten und verbessere die Wundruhe.

Durch das feuchte Milieu würden außerdem das Zellwachstum und der Heilungsprozess gefördert. Die Wundversorgung macht inzwischen ein Drittel der Patienten des Homecare-Teams aus.

Das moderne Wundmanagement ist anspruchsvoll und erfordert stetige Fortbildungsmaßnahmen. Mindestens zweimal jährlich werden diese von jedem Teammitglied besucht. Unter finanziellen Aspekten zahle sich die moderne Wundversorgung nicht aus, sagt die Betriebschefin.

Und die Ärzte hätten sie anfangs auch nur zögerlich verordnetet, doch angesichts der Erfolge setze langsam ein Umdenken ein.

Die häusliche Ernährungstherapie

Verordnung: Die Ernährungstherapie – auch wenn sie über einen Homecare-Dienst läuft – wird vom behandelnden Arzt verordnet.

Eingeschaltet wird das HomecareTeam aber nicht nur von Haus- und Fachärzten, sondern oft schon vorher von Kliniken, Sozialdiensten, Pflegeheimen oder auch Angehörigen der Betroffenen. Dennoch muss auch dann eine Absprache mit dem behandelnden Arzt stattfinden.

Kostenerstattung: Trink- und Sondennahrungen sind bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur normalen Ernährung verordnungsfähig gemäß gültiger Arzneimittelrichtlinie.

Die Krankenkassen erstatten dabei die Ernährungsprodukte, Verbandsstoffe und die Hilfsmittel wie Überleitsysteme. Vorgeschrieben sind außerdem die Zahl der Patientenkontakte, ein Ernährungsplan und die stetige Rücksprache mit den Ärzten. (bd/eb)

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