Leitartikel zur Korruption

Wo kommt bloß das Misstrauen her?

Das Gesundheitswesen unter Generalverdacht der Bestechung: Vereinfacher und Skandalisierer sind am Werk. Und die ärztliche Selbstverwaltung tut sich schwer, Verdächtigungen wirksam zu entkräften. Das Risiko: ein neuer Strafrechtstatbestand.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Eine Branche im Zwielicht. Das Kriminalisierungsrisiko steigt.

Eine Branche im Zwielicht. Das Kriminalisierungsrisiko steigt.

© Carlson / Fotolia.com

Wie korrupt ist unser Gesundheitswesen? Wie bestechlich sind Ärzte - und sind sie es überhaupt?

Das geltende Strafrecht macht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - maßgeblich ist hier ein Urteil vom Juni 2012 - eine feinsinnige Unterscheidung.

Bei Ärzten, die als Freiberufler tätig sind wie die meisten Vertragsärzte - kommt der Korruptionstatbestand nach geltendem Strafrecht nicht in Frage, weil die individuelle Beziehung zum Patienten absolut im Vordergrund steht.

Anders als bei Ärzten im Beamten- und Angestelltenstatus, die aufgrund ihres Dienstvertrags eine besondere Treuepflicht auch ihrem Arbeitgeber gegenüber haben. So gilt - in Bezug auf das Strafrecht - in Abhängigkeit vom Status zweierlei Maß.

Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, macht nachdenklich. Nun ist höchstrichterliche Rechtsprechung nicht das letzte Wort. Das hat der Gesetzgeber. Bislang gab es keine Mehrheit, die Rechtslage zu korrigieren - aber das kann sich ändern ...

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Kommentare
Maximilian Micka 08.01.201318:30 Uhr

Also, auch auf die Gefahr hin polemisch zu wirken....

.... aber ich würde mich schon gerne mal so ein bisschen bestechen lassen, so wie die anderen Multis und "Großkopferten".
Leider hat sich während meiner Tätigkeit noch niemand bei mir eingestellt, der mich mal so richtig ausgiebig bestechen möchte.
Naja, vielleicht wirds jetzt was auf diesen Kommentar hin....


Kollegiale Grüße!

Dr. Manfred Stapff 08.01.201315:39 Uhr

Einige wichtige Punkte vernachlässigt

Auf die juristische Spitzfindigkeit, die der BGH im Juni 2012 angewandt hat, kommt es vielleicht gar nicht so an. In der ganzen, teilweise sehr emotional und von Neid geschürten Diskussion (siehe Kommentar Dr Barabasch) werden einige wichtige Punkte vernachlässigt:
1. Der niedergelassene Arzt ist faktisch doch schon lange kein Freiberufler mehr. Während die Ausgabenseite dem freien Markt unterliegt, ist die Einnahmeseite strengstens reguliert (gedeckelte Budgets, Verordnungsmengen, Punktwerteverfall, etc.).
2. "Korruption" ist die Annahme von Vorteilen als Gegenleistung für ein rechtswidriges (!) Verhalten. Das dürfte unter Ärzten sehr selten vorkommen und ist ja ohnehin schon straf- und berufsrechtlich sanktioniert. Was die Diskussion schürt, ist die Bevorzugung eines Produkts (Verordnung) gegenüber einem anderen, z.B. durch Präsente der Industrie. Dies kann aber allenfalls "Vorteilsannahme" sein.
3. Einen potenziellen Kunden positiv zu beeinflussen und zur Kaufentscheidung zu bewegen ist Jahrtausende alte Praxis im Geschäftsleben. Dies kann vom einfachen Aufbauen einer guten Kundenbeziehung, über Geschäftsessen, bis zu extremen Auswüchsen (Schmiergelder, "Lustreisen") reichen. Üblicherweise sind dabei aber Begünstigter, Entscheider, Bezahler und Nutznießer der Ware identisch, d.h. wer sich darauf einläßt schadet normalerweise hauptsächlich sich selbst.
4. Der große Unterschied zum Gesundheitswesen ist aber, dass hier der Verordner (Arzt) eine Kaufentscheidung trifft, die von einem anderen (Kasse) zu bezahlen ist, und vovon ein Dritter (Patient) Nutzen oder Schaden erleidet. Hier ist also das Schadenspotenzial höher als im "normalen" Geschäftsleben.
5. Ob es sich dabei um einen angestellten oder "freiberuflichen" Arzt handelt ist meiner Meinung nach unerheblich. Der BGH hat sich (vielleicht fälschlicherweise) mit der Definition der Freiberuflichkeit beschäftigt, anstatt sich der Frage zu widmen, ob im Gesundheitswesen höhere Maßstäbe anzusetzen sind als im normalen Geschäftsleben.

Dr. Uwe Brinkmann 08.01.201314:54 Uhr

Woher ist zwar interessant, aber leider ist nicht zu leugnen DASS Bestechlichkeit und Fälschung vorliegt

Lieber Kollege Barabasch,
Ihr Einsatz für eine psychologistische Erklärung ist ehrbar.
Aber leider hat das Allmachtsgefühl einerseits und die miserable Bezahlung, Deckelung und Kontrolle andererseits zu einer schizoiden Spaltung geführt, die eine realistische Selbstwahrnehmung sehr erschwert.
So wird tatsächlich in erheblichem Maße gefälscht, (siehe Transplantationen) und falsch abgerechnet , z.B. indem , durchaus oft auch zugunsten des Patienten, Diagnosen falsch kodiert werden.
Also runter vom Elfenbeinturm, die Kollegen stecken längst unten im Sumpf ... allerdings zugegebenermaßen mit allen genannten Berufen zusammen: Politiker, Kassenmogule, Juristen etc.

Dr. Richard Barabasch 08.01.201314:11 Uhr

Tja, woher kommt''s ?

Die "Ärztschaft" hat von jeher als solche ein (von "anderer Seite") unterstelltes "Herrrschftswissen", das ein unbewußtes und auch nicht bewußt gemacht-werden wollendes Neidgefühl (auf "der anderen Seite") auslöst, das zum einen angstvoll, aber auch (wie so oft) lustvoll Energien freisetzt, die agressiv (bis wiederum uneingestanden zerstörerisch) gegen diese Besonderheit gerichtet sind, weil dieses Wissen über das Lebendige und das Lebendigsein-Bewirkende weiß (emotional und irrational unterstellt von "anderer Seite"). Bei der "Ärzteschaft" wird Numinöses und anderes mehr vermutet und dem kann "man" nur mit Schärfe, Kante und "der (weltlichen) Macht" schlichweg beikommen: also allen Registern der Unterstellungs-Mediale bis hin zur Verleumdung und Demontage. Auch wenn dieses Possenspiel (des lebendigen Real(?)-Seins)durchaus irreal und tief-unerkannt rein-gefühl betont ist - dort liegt die Quelle der Spiegeleien-Spielereien (mit so viel realer Aktivität bis hin zu Sondergesetzen für/gegen "die Ärzteschaft")und die Begründung dafür, dass Menschen, die sich auf dem "Boden der Tatsachen" wähnen (kommt von "Wahn")die "ganz normale Alltagsrealität" aus den Augen verlieren, sich und ihren eigenen Stand (Politiker, Juristen u.v.a.m.) vergessen und nicht bemerken, dass sie in "der Ärztschaft" gegen sich selber und ihrer eigen Schatten (und Verhaltensweisen) kämpfen, die sie angstvoll ein Leben lang unterdrück(t)en. Aber wer getraut sich schon diesen Weg zu sich Selber zu gehen und sich daran zu erinnern, dass "der liebe Gott" die Nase wohl deshalb mitten ins Gesicht gesetzt hat, um sich selber daran zu ziehen . . . Freilich hilft das nicht gegen die "Tatsache, dass" bestochen werden kann, wurde und werden wird - aber vielleicht dem einen, oder anderen dazu, die "Kirche im Dorf" zu lassen, sich auf ein Grundgesetz zu besinnen und eine zugehörige Historie und die Finger davon zu lassen auf andere zu deuten, so lange genug vor der eigenen Türe zu kehren ist - als Politiker, Jurist, kranken-Kassenmanager und - wie gesagt: v.a.m. . . .
meint
Dr. Richard Barabasch

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