Zu lange Wartezeiten für psychisch Kranke

BERLIN (sun). Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) drängt auf kürzere Wartezeiten für psychisch kranke Menschen. Diese sollten in der Regel nicht länger als drei Wochen auf einen Behandlungsplatz warten.

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Bisher warteten psychisch Kranke meist monatelang auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz. Die BPtK spricht in diesem Zusammenhang von einem "versorgungspolitischen Skandal".

"Die Wartezeiten von psychisch kranken Menschen sind inakzeptabel lang", sagte BPtK-Präsident Professor Rainer Richter. Wer einen Psychotherapeuten suche, lande meist auf einer Warteliste.

Experten warnen immer wieder davor, dass sich eine psychische Erkrankung chronifizieren könne, werde zulange mit der Behandlung gewartet.

Den Vorstoß der SPD, lange Wartenzeiten mit Geldbußen zu bestrafen, kritisierte BPtK-Chef Richter als ungeeignet. Auch der Unions-Vorschlag, Wartezeiten auf einen Facharzttermin durch ein Terminmangement der Kassen zu verkürzen, geht der BPtK nicht weit genug.

"Besseres Terminmanagement reicht nicht aus", sagte Richter. In der psychotherapeutischen Versorgung stoße man an "Kapazitätsgrenzen". Diese ließen sich nur durch ein größeres Angebot an Behandlungsplätzen beseitigen.

Jährlich erkrankt laut BPtK etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland an einer psychischen Störung. Jeder zehnte psychisch Kranke erhalte eine adäquate Therapie nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die BPtK fordert daher eine Reform der Bedarfsplanung für Psychotherapeuten.

Lesen Sie dazu auch: Mehr psychisch Kranke, zu wenig Plätze

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Kommentare
Dr. Dieter Wettig 11.02.201110:39 Uhr

Kassen-Honorar für Psychotherapeuten einfrieren !

Die BPtK drängt auf kürzere Wartzeiten für psychisch Kranke. Das Angebot an Behandlungsplätzen müsse deshalb wachsen. 5 Mio. psychisch Erkrankten stünden nur 1,5 Mio. psychotherapeutische Behandlungsplätze gegenüber. Nach Ansicht der Kassen aber seien die meisten Gebiete übersorgt.

Tatsächlich gibt es aber keinen Beweis, daß psychische Erkrankungen in Deutschland zugenommen haben (1). Zugenommen haben nur Psycho-Diagnosen z. B. auf Krankmeldungen ("Somatisierungsstörung" statt "Kreuzschmerz"). Zugenommen haben aber auch die Vertragstherapeuten seit 1999, nämlich um das über Dreifache, ohne daß man eine Abnahme der psychischen Erkrankungen oder gar Heilungen beobachten konnte, selbst in zu 400% überversorgten Gebieten wie Tübingen oder Göttingen nicht.

Psychotherapeuten schaffen sich ihren Bedarf nämlich selbst: Heerscharen von Menschen werden über 25 bis 100 Stunden behandelt wegen "Depressiver Episode" (die nach 1 oder 2 Jahren auch von selbst verschwindet), "Anpassungsstörung" (die man jedem anhängen kann, z. B. wegen Liebeskummer, Streß auf der Arbeit oder in der Familie oder Trauer).

Krakenhaft infiltrieren Sie jede menschliche Regung und erklären sie zum psychischen Problem, das behandelt werden muss. Damit professionalisieren sie das Gefühls- und Seelenleben und suggerieren, daß nur sie Abhilfe schaffen könnten. Altbewährte Maßnahmen wie Gespräche mit den Eltern, Freunden oder Kollegen werden auch deshalb vernachlässigt. Auch natürliche Methoden wie Spaziergänge im Grünen und in der Sonne geraten als Selbsthilfemittel in Vergessenheit, genau wie Ausdauertraining (2), Verzicht auf Alkohol und Nikotin. Hausärzte, die an der Basis am besten helfen und beraten könnten, bekommen dafür nur noch 80 Cent pro Kopf pro Quartal (Psychosomatische Grundversorgung), denn das Geld fließt jetzt zu den Therapeuten.

Gegen keine der Big Five hat die Psychotherapie etwas Erwähnenswertes ausgerichtet: Adipositas, Substanzmißbrauch, Demenz, schwere Depression, chronische Schmerzen.

Bleibt noch festzuhalten, daß Therapeuten mit Ärzten nur ungern kommunizieren: Keiner hat jemals bei mir Befunde angefordert, 90% schreiben keinen Arztbrief.

Fazit: Kassen-Honorar für Therapeuten einfrieren !

Dr. med. Dieter Wettig - Facharzt für Allgemeinmedizin
Erlkönigweg 8 - 65199 Wiesbaden-Dotzheim
www.wettig.de


1. Nehmen psychiatrische Störungen zu? Eine systematische Literaturübersicht. Psychiatrische Praxis 2008; 35 (7): S. 321-330

2. Mit körperlichem Training lassen sich Angstsymptome eindämmen: Bei der Betrachtung der Sportdauer schnitten Übungszeiten von mindestens 30 Minuten am besten ab. Diese nicht-pharmakologische Behandlung eignet sich auch besonders für Patienten, die Medikamente ablehnen. [Matthew P Herring et al., Arch Int Med 2010; 170: 321-31, zitiert nach Medical Tribune, 12. März 2010, S. 6]

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