Zucker-Teststreifen vor dem GKV-Ausschluss
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) will in der nächsten Woche die Verordnungsfähigkeit von Harn- und Blutzuckerteststreifen für nicht insulinpflichtige Diabetiker einschränken.
Veröffentlicht:BERLIN. Die nicht insulinpflichtigen Diabetiker des Typs 2 in Deutschland werden künftig für ihre Harn- und Blutzuckerteststreifen weitgehend selbst aufkommen müssen.
Ihre Ärzte dürfen ihnen die Streifen nur noch in Ausnahmefällen schreiben. Betroffen seien rund drei Millionen Menschen in Deutschland, schätzen Selbsthilfeorganisationen.
Drei Millionen Diabetiker müssen sich umstellen
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) wird in seiner Sitzung am nächsten Donnerstag voraussichtlich den Verordnungsausschluss beschließen. Immer vorausgesetzt, die Sitzung findet statt und das Thema wird aus heute noch nicht bekannten Gründen vertagt.
Dies wurde aus dem Umfeld des Ausschusses bekannt. Insulinpflichtigen Diabetikern dürfen Ärzte die Hilfsmittel zur Selbstbestimmung des Zuckerspiegels weiter zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verschreiben.
Für Menschen mit vorübergehender instabiler Stoffwechsellage sollen Ausnahmen gelten. Dies können zum Beispiel Ersteinstellungen und Therapieumstellungen sein.
Auch an Grippe erkrankten Menschen oder Diabetikern, die nach einem langen Flug unter Jetlag leiden, dürfen Ärzte bis zu 50 Streifen verordnen, und zwar so oft dies notwendig sei.
Der Ausschuss habe sich bei dieser Mengengrenze an den schon von einigen Kassenärztlichen Vereinigungen gemachten Vorgaben orientiert.
Grundlage der anstehenden Entscheidung des GBA sind die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).
Danach gibt es "weder für die Blutzuckerselbstmessung noch für die Urinzuckerselbstmessung einen Beleg für einen Nutzen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2." So zitiert der Deutsche Diabetiker Bund in einer auf seiner Webseite veröffentlichten Stellungnahme aus einem Papier des GBA.
Die Selbsthilfeorganisation hält den geplanten Verordnungsausschluss für rechtswidrig. Er halte einer Überprüfung im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit nicht stand.
Das IQWiG habe zu wenige Studien berücksichtigt. Konkret genannt ist die Rosso-Studie. Das IQWiG habe die Lebensqualität der Patienten zu gering gewichtet.
Führte der Sparzwang bei der Nutzenstudie die Feder?
Der Diabetikerbund kommt zu dem Schluss: Die Studien seien so ausgesucht worden, dass der Ausschuss zu dem fiskalisch gewünschten Ergebnis, nämlich zum Verordnungsausschluss, habe kommen müssen.
Tatsächlich könnte der Verordnungsausschluss einen spürbaren Markteingriff bedeuten. Rund 900 Millionen Euro kosten die Teststreifen die gesetzlichen Kassen im Jahr. Mit den Ausgaben der privaten Versicherer und der Selbstzahler summiert sich das betroffene Marktvolumen auf mehr als eine Milliarde Euro.
Beim GBA sieht man Hinweise darauf, dass die Industrie in der Vergangenheit einen großzügigen Umgang mit den Streifen gefördert hat. So werden die Messgeräte, in die die Streifen eingeführt werden müssen, meist gratis verteilt. Erlöse erzielen die Anbieter mit dem Verkauf der Teststreifen.
Diese gängige Praxis war einer der Auslöser, den tatsächlichen Nutzen der Harn- und Blutzuckerselbstbestimmung unter die Lupe zu nehmen. Ausgerechnet am Startpunkt einer Medikation fehle die Kontrolle darüber, ob die Selbstmessung nötig sei, monierte der GKV-Spitzenverband.
Auch die Ärzteseite stellte sich nicht gegen die Nutzenbewertung der Teststreifen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, ebenfalls im GBA vertreten, fordert für die Zeit nach dem Verordnungsausschluss eine Evaluierung, inwieweit sich der Ausschluss auf die Zahl der Arztbesuche auswirkt.