KBV-Innenrevision
"...massive Verstöße gegen Gesetze..."
Neuer Zoff in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Ein Bericht der Innenrevision der Körperschaft sorgt für Wirbel.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Auseinandersetzungen im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung streben einem neuen Höhepunkt zu. Das lassen die Reaktionen auf ein Papier der Innenrevision der Körperschaft erwarten.
Der als "Vermerk" überschriebene Bericht vom 1. September liegt der "Ärzte Zeitung" vor. Aus der Vertreterversammlung heraus soll eine Anzeige gegen den KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Gassen wegen Untreue im Amt vorbereitet werden.
Das Bundeskartellamt ist involviert. Eine Stellungnahme der Bundesbehörde wird in den nächsten Tagen erwartet.
Die stellvertretende KBV-Vorsitzende Regina Feldmann erklärte gegenüber der "Ärzte Zeitung", die Rechtsaufsicht einschalten zu wollen. Die übt Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aus.
Freihändige Vergabe
Der Vorgang reicht zurück bis Mitte 2015, als das Verhältnis der beiden Vorstände begann, sich dramatisch zu verschlechtern. Er teilt sich in zwei Aspekte. Der eine betrifft das Beschaffungsrecht der KBV, der andere die Inhalte der Vorgänge.
Die Innenrevisoren monieren die Vergabe von Aufträgen an die Berliner Agentur "Miller & Meier Consulting", Eigenwerbung: "Eine der führenden Beratungen für Strategie und Lobbying in Deutschland."
Die Rechnungen der Berater zum Beispiel für den Auftrag "Coaching KBV-Krisenmanagement" beliefen sich auf knapp 40.000 Euro. Aufträge dieser Größenordnung hätte die KBV ausweislich ihrer Beschaffungsordnung ausschreiben müssen, stellen die Innenrevisoren fest. Dafür fanden sie jedoch keine Belege. Auch einen ihrer Ansicht erforderlichen Vorstandsbeschluss vermissten die Prüfer.
Bei einem weiteren Auftrag, Titel: "Unterstützung und Beratung der KBV", sprechen die Revisoren von "offensichtlich unzulässigen Submissionsabsprachen". Das Vergabeverfahren dafür startete am 21. Dezember 2015. Der Aufbau zweier Angebote war gleich, die Texte bezeichnet der Bericht als "nahezu wortwörtlich gleich".
Gassen habe die Rechnungen jedoch als "sachlich und rechnerisch richtig" abgezeichnet, obwohl keine Verträge vorgelegen hätten und auch die Leistungsbeschreibungen nicht überprüfbar gewesen seien, heißt es in dem Bericht.
Insgesamt belaufen sich die Aufträge auf mehr als 200.000 Euro. Abgerufen und abgerechnet sind bislang rund die Hälfte. Die Innenrevision empfiehlt wegen der zahlreichen Verstöße gegen die Regularien der KBV die sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit der Agentur. Das Kartellamt sei zu informieren.
Brisante Inhalte
Die Inhalte der Politikberatung lassen sich bereits aus einer Mail von Juni 2015 erkennen, die sich in den Anlagen zum Revisionsbericht findet. Nach einem Gespräch mit Gassen benennt der Berater "zentrale Herausforderungen".
Erstens solle "Symbolpolitik in Personalfragen als Zeichen für neuen Aufbruch" betrieben werden (siehe Ausriss). Zweitens solle die stellvertretende KBV-Vorsitzende Regina Feldmann "isoliert" werden. Gassen selbst solle als über den profanen Dingen stehender Akteur positioniert und von Alltagsarbeit weitgehend befreit werden.
Die Kontrahenten bewerten die Vorgänge höchst unterschiedlich. Gassen betonte Anfang der Woche in kleiner Runde, dass der Revisionsbericht nicht abgeschlossen sei. Am Donnerstag bestätigte er, die Endfassung solle "so bald wie möglich" vorgelegt werden.
Falsch an dem Bericht sei zum Beispiel, dass im Vorfeld keine Anhörung der Betroffenen stattgefunden habe. Auch er sei nicht befragt worden. Zudem gebe es sehr wohl Vorstandsbeschlüsse zu den in Frage stehenden Vorgängen.
Die Vergabe der Aufträge sei mit rechten Dingen zugegangen. Das habe eine externe Prüfung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bestätigt. Auch die Compliance-Stelle der KBV habe keinen Verstoß identifizieren können.
Einblicke in die KPMG-Expertise gewährt die KBV derzeit nicht. Gassen wirft seiner Kollegin Regina Feldmann darüber hinaus vor, die Revision beauftragt zu haben, als er in einem Kurzurlaub gewesen sei. Er hätte gefragt werden müssen.
Feldmann hält dagegen
Feldmann hält dagegen, dass der Bericht sehr wohl fertig sei. "An den Inhalten ändert sich nichts", sagte sie der "Ärzte Zeitung".
Beim Gesundheitsministerium ist man nicht glücklich mit dem neuen Ärger bei der KBV. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass man das Spiel der Widersacher nicht mitzuspielen gedenke.
Die Vorgänge würden gründlich unter die Lupe genommen. Es gebe aufsichtsrechtliche Instrumente und deren Einsatz werde man dann prüfen, hieß es am Donnerstag.
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