Corona-Krise

Ärzte machen ihrem Ärger über Kurzarbeitergeld-Weisung Luft

Nach einer Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) sollen Vertragsärzte auf Kurzarbeitergeld nicht zugreifen. Das hat in der Ärzteschaft für viel Unverständnis gesorgt, die sich auch in vielen Leserbriefen an die „Ärzte Zeitung“ zeigt.

Von Sybille Cornell Veröffentlicht:
30 Prozent Umsatzeinbruch – dennoch kein Kurzarbeitergeld?

30 Prozent Umsatzeinbruch – dennoch kein Kurzarbeitergeld?

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Neu-Isenburg. Die Diskussion um das Kurzarbeitergeld für Vertragsarztpraxen schlägt hohe Wellen. Hintergrund ist die Weisung der Bundesagentur für Arbeit, Anträge von Vertragsärzten, die Kurzarbeit anmelden wollen, abzulehnen.

Das hat nicht nur ein äußerst kritisches Echo bei vielen Ärzteverbänden hervorgerufen, auch viele Ärzte an der Basis sind offenbar empört über die Bundesagentur. Darauf deuten zumindest viele Leserbriefe hin, die die „Ärzte Zeitung“ erreicht haben.

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So schreiben die hausärztlichen Internisten Dr. Gerhard Heinsch und Dr. Andreas Glauner, die in gemeinsam in einer BAG in Haan praktizieren, sie hätten in ihrem beruflichen Umfeld der niedergelassenen Hausärzte mittlerweile eine Menge Kollegen gesprochen, die Kurzarbeit beantragt haben.

Zu dieser Maßnahme sähen sich viele Praxen, inklusive ihrer eigenen Praxis, gezwungen. Der sogenannte Rettungsschirm sei zwar seit Wochen beschlossen und Gesetz. An die „Basisversorger“ seien jedoch immer noch keine konkreten Informationen weitergeleitet worden, wie dieser letztendlich ausgestaltet werden solle.

Existenzbedrohende Situation

„Dass dieses verhandelt werden muss, ist allen klar, jedoch scheinen die Verhandlungspartner hier keine Eile zu haben Entscheidungen zu finden“, kritisieren Heinsch und Glauner. Allein dieser Tatsache sei geschuldet, dass Praxen zur Vermeidung einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Lage Hilfen wie Kurzarbeitergeld beantragen.

In vielen Praxen komme es im kassenärztlichen Bereich, zu 25-prozentigen Honorarverlusten oder auch mehr. Hinzu kämen die Verluste aus dem privatärztlichen Bereich. Dieses verkrafte eine Praxis finanziell nicht ohne externe Hilfen.

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„Rettungsschirm nebulös in Aussicht gestellt“

„Eine Praxis muss nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden, um Bestand zu haben“, betont Heinz Peter Dilly in seinem Leserbrief.

„Natürlich muss eine Praxis bei 30-40 Prozent Umsatzeinbruch Kurzarbeit anmelden und mögliche Hilfen beantragen. Die Kosten haben sich nicht um 30-40 Prozent reduziert“, ärgert er sich. Der versprochene Rettungsschirm werde nur „nebulös in Aussicht gestellt“. Der niedergelassene Arzt solle still darauf warten, gerettet zu werden.

Dilly wird konkret: „Dies würde letztendlich eine Insolvenzverschleppung zur Folge haben“ – und damit „durchaus strafrechtlich für den Einzelnen relevant werden“.

Umfrage: Leser sprechen sich pro Kurzarbeitergeld aus

Was die Leser der „Ärzte Zeitung“ insgesamt zur Weisung der Bundesagentur zum Kurzarbeitergeld für Vertragsärzte sagen, dazu ergibt eine noch laufende Online-Umfrage der „Ärzte Zeitung“ ein klares Bild (Stand 5. Mai). Demnach zeigen viele Teilnehmer klare Kante.

Der Aussage „Geht gar nicht: Sozialarchitekten leben einmal mehr ihre Vorurteile gegen Ärzte aus“, stimmen rund 50 Prozent der Teilnehmer zu. Gut ein Fünftel der Teilnehmer hält die Weisung für „Fraglich: Praxen in Hausarztverträgen oder hohem Privatanteil sind in der Existenz bedroht.“

Fast drei von zehn Lesern, die sich beteiligt haben, nehmen die Gegenposition ein und sagen, die Entscheidung sei „Gut: Doppelte Förderung mit Schutzschirm plus Kurzarbeitergeld ist unnötig.“

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Widerspruch gegen Ablehnung des Antrags empfohlen

Nicht nur Ärzte sehen die Weisung der BA kritisch, sondern auch Juristen: Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München, empfiehlt in seiner Zuschrift an die „Ärzte Zeitung“ Praxen und MVZ, die in Schieflage geraten sind, Kurzarbeit in Erwägung zu ziehen, die Leistung rechtzeitig zu beantragen und sich „fristgerecht“ gegen eine mögliche Ablehnung des Antrags zu wehren.

Müller wie auch andere Rechtsanwälte argumentieren, dass im Rettungsschirm aus dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz (Paragraf 87a Absatz 3b SGB V) formuliert ist: „Die Ausgleichszahlung ist in der Höhe zu mindern, in der der vertragsärztliche Leistungserbringer Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder finanzielle Hilfen aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen erhält.“

Kurzarbeit vor Rettungsschirm?

Das bedeute, dass der Anspruch auf das Kurzarbeitergeld zuerst komme und erst danach der Rettungsschirm der GKV greife, so Müller. Das wäre genau andersherum, als die Bundesagentur für Arbeit argumentiert – ganz abgesehen davon, dass längst nicht alle Einkünfte von Vertragsarztpraxen unter den Schutzschirm fallen.

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Ganz zu Ende gedacht, könnte diese Formulierung sogar dazu führen, dass ein Arzt, der bei sauberer Dokumentation der Minderarbeit Kurzarbeitergeld hätte beantragen können, es aber nicht getan hat, später dieses fiktiv für ihn erreichbare Geld von den Ausgleichszahlungen der KV abgezogen bekommt.

Ob das am Ende auch tatsächlich so gehandhabt wird, wird die gelebte Praxis zeigen. (Mitarbeit: ger)

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