Ärzte versinken in der Anfrageflut

Behörden, Kassen, MDK & Co - alle wollen etwas von Vertragsärzten wissen. Die gute Botschaft: Gegen einige Anfragen können sich Ärzte wehren. Und auch bei der Vergütung müssen sie sich nicht alles gefallen lassen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Was zu viel ist, ist zu viel: Kassen, Behörden und Versicherer laden gerne ihre Briefe und Formulare bei Ärzten ab.

Was zu viel ist, ist zu viel: Kassen, Behörden und Versicherer laden gerne ihre Briefe und Formulare bei Ärzten ab.

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NEU-ISENBURG. Immer wieder flattern sie in die Praxis: Anfragen von Krankenkassen, MDK, Versicherern und anderen Behörden. Sie bedeuten nicht nur Mehraufwand, der teilweise schlecht vergütet wird. Manchmal verstoßen sie schlichtweg gegen das Gesetz.

Das zeigt auch ein Brief eines Offenbacher Hausarztes an die Redaktion. "Wiederholt werde ich von Mitarbeitern gesetzlicher Krankenkassen zum Bruch meiner ärztlichen Schweigepflicht aufgefordert", erklärt er. Zum Beweis hängt am Brief ein Anschreiben einer Kasse mit der Aufforderung, einen Fragebogen zur Arbeitsfähigkeit eines Patienten auszufüllen und diesen auch noch um die "vorhandenen ärztlichen Befundberichte" zu ergänzen. Wie sollen sich Ärzte in so einem Fall verhalten?

Solche Anfragen der Krankenkassen zur Ursache der Arbeitsunfähigkeit oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ebenso wie Anfragen zu Rehabilitationsmaßnahmen sind unzulässig. Der Arzt darf die Auskunft verweigern. Es sei denn, der Patient hat gegenüber dem Arzt der Informationsweitergabe zugestimmt.

Andererseits obliegen Ärzte einer Reihe von Auskunftspflichten, gegen die sie sich kaum wehren können. Welche das sind, welche Vergütungsansprüche bestehen und wann die Auskunftspflicht endet, hat die KV Westfalen-Lippe in einer Broschüre zusammengefasst. Und dort geht es zunächst darum, wann überhaupt Auskunft gegeben werden darf. Schließlich machen sich Ärzte, die gegen den Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht im Arzt-Patienten-Verhältnis verstoßen, strafbar.

Trotzdem: Benötigen die Kassen oder der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) für ihre gesetzlichen Aufgaben ärztliche Berichte, muss ein Vertragsarzt ran. So steht es in Paragraf 73 Abs. 2 Nr. 9 SGB V. Ähnliche Offenbarungspflichten gelten gegenüber anderen Einrichtungen. Allerdings müssen sich Kassen & Co an einige Regeln halten.

Anfragen von gesetzlichen Krankenkassen: Auf welche Kassenanfragen Vertragsärzte antworten müssen oder können, ist in den Bundesmantelverträgen für die Primärkassen (PK) und die Ersatzkassen (EK) geregelt. Demnach müssen Ärzte den Kassen für deren gesetzliche Aufgaben auch Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten erstellen. Allerdings sind für solche Auskünfte die mit KBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarten Vordrucke zu verwenden. Stehen keine Vordrucke zur Verfügung oder gehen die Informationen, die die Kasse anfordert, über den Vordruck hinaus, muss die Kasse die Rechtsgrundlage für die Auskunftspflicht des Arztes angeben. Wobei der Arzt die Beantwortung ergänzender oder veränderter Fragen auf Vordrucken ablehnen kann. Und hier kann er auch eine zusätzliche Vergütung mit der Krankenkasse nach GOÄ vereinbaren. Letzteres gilt auch für Anfragen, für die es keinen Vordruck gibt. Die Vordrucke hingegen werden nach EBM (Ziffern 01610 bis 01623) vergütet - die entsprechenden EBM-Ziffern müssen auf dem Vordruck vermerkt sein.

Anfragen des MDK: Auf sie müssen Ärzte in der Regel antworten. Allerdings muss auch der MDK die Rechtsgrundlage für seine Auskunftsberechtigung sowie den Zweck, zu dem er die Informationen benötigt, angeben. Für einfache Auskünfte, Bescheinigungen etc. erhält der Arzt keine Vergütung und dafür gibt es auch keine vereinbarten Vordrucke. Anders sieht das bei ausführlichen Berichten aus: Hier ist ein Vordruck vereinbart und die Vergütung erfolgt über die EBM-Ziffer 01621. Geht es um die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit des Patienten sind die Vereinbarungen zwischen den einzelnen KVen und dem jeweiligen MDK vor Ort zu beachten. Denn dort ist auch das Honorar der Ärzte geregelt.

Anfragen von Sozialämtern: Auch das Sozialhilferecht enthält eine Auskunftspflicht für Ärzte - eine vorherige Einwilligung des Patienten ist nicht nötig (Paragraf 38 Abs. 4 S. 3 Bundessozialhilfegesetz). Allerdings darf der Arzt Auskünfte auf nicht vereinbarten Vordrucken verweigern. Und stellt ein Sozialamt eine Anfrage zur Arbeitsfähigkeit eines Patienten, dann muss der Patient doch vorher schriftlich eingewilligt haben. In Sachen Vergütung und Vordrucke sollten sich Ärzte an die zuständige KV wenden. In Westfalen-Lippe gelten für die Abrechnung etwa dieselben Regeln wie für Kassenanfragen.

Anfragen von Rentenversicherungsträgern: Es gibt keine gesetzliche Auskunftspflicht für Ärzte. Das bedeutet für den Arzt, er darf und muss nur dann Auskünfte erteilen, wenn der Patient vorher schriftlich zugestimmt hat und der Rentenversicherungsträger die Infos für die Durchführung seiner Aufgaben benötigt. Freie Berichte und Gutachten werden nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (gem. Anlage 2 zu Paragraf 10 Abs. 1 JVEG) vergütet. Für Befundberichte ohne gutachterliche Äußerung kann der Arzt demnach eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 21 Euro verlangen (JVEG/Anlage 2, Nummer 200). Für das Ausfüllen ärztlicher Befundbögen zum Reha-Antrag wird derzeit hingegen eine Vergütung von 18 Euro plus einer Verwaltungskostenpauschale von 7,20 Euro angeboten.

Anfragen vom Arbeitsamt: Infos darf der Arzt nur weitergeben, wenn die Behörde diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt und der Patient vorher schriftlich eingewilligt hat. Die Vergütung erfolgt ebenfalls gemäß Anlage 2 zu Paragraf 10 Absatz 1 JVEG.

Anfragen von Unfallversicherungsträgern: Gegenüber den berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsträgern besteht nach den Paragrafen 201 und 203 SGB VII sowie dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger (Paragraf 46) für Ärzte eine Auskunftspflicht - selbst ohne Einwilligung des Patienten. Dabei ist eine Besonderheit zu beachten: Verweigert ein Arzt die Auskunft, kann ihn der Unfallversicherungsträger mit einer Geldbuße bis zu 2500 Euro belegen. Die Vergütung für die Auskunft ist im Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger geregelt.

Anfragen von privaten Versicherern: Nur, wenn eine konkrete Schweigepflichtsentbindung vorliegt, darf der Arzt Auskunft über einen Patienten erteilen. Pauschale Entbindungserklärungen aller behandelnder Ärzte von der Schweigepflicht - darauf weist die KVWL ausdrücklich hin - werden von der Rechtsprechung und der Literatur als unwirksam angesehen. Der Patient sollte daher im Einzelfall der Auskunftserteilung zugestimmt haben. Abrechnen kann der Arzt den Bericht nach den Ziffern 70 ff. nach GOÄ.

Anfragen von Patienten und Anwälten: Patienten steht ein weitgehendes Einsichtsrecht in ihre Akten, aber eben nur ein Einsichtsrecht, zu. Subjektive Einschätzungen des Arztes über den Patienten können in den Akten geschwärzt werden. Dass heißt, der Arzt muss keine extra Berichte schreiben und Kopien versenden. Der Patient hat aber das Recht, selbst Kopien anzufertigen und mitzunehmen. Auch Rechtsanwälte, die für Patienten tätig werden, sind auf das Einsichtsrecht beschränkt. Bei Anfragen zu Behandlungskosten ist das etwas anders: Hier hat der Vertragsarzt den Patienten nach Paragraf 305 Abs. 2 SGB V über die zu Lasten der Kassen zu zahlenden ärztlichen Honorare, die aus der Behandlung des Patienten entstanden sind, zu unterrichten. Dafür kann er eine Aufwandspauschale von einem Euro plus Versandkosten vom Patienten verlangen.

Die Broschüre "Ein leidiges Thema: Anfragen von Krankenkassen, MDK, Behörden und anderen" steht unter www.kvwl.de (Mitglieder/ Recht/Verträge u. Rechtshinweise) zum Download bereit.

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