Nordrhein
Ärzte wollen von Regressen nichts mehr wissen
Ärzte in Nordrhein haben für eine Abschaffung der Regresse protestiert. Doch die Hoffnung auf Besserung ist gering: Die Ankündigungen im Versorgungsgesetz halten sie für "Etikettenschwindel".
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. In Nordrhein haben sich sowohl die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KVNo) als auch die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) einstimmig für eine Abschaffung der Regresse ausgesprochen.
Die Kammerdelegierten forderten auch den Verzicht auf die geplanten Regressmöglichkeiten bei Überweisungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
"Regresse machen Angst", betonte der Vorsitzende des Nordrheinischen Hausärzteverbands Dr. Dirk Mecking auf der KVNo-Vertreterversammlung. Die Ärzte bräuchten keine Neuregelung der Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern gar keine Prüfungen mehr.
"Wir können mit stolzer Brust sagen: Wir leben Evidence Based Medicine, und wir verwenden die Versichertengelder so schonend, wie es uns möglich ist", sagte Mecking.
"Arzt sein und Arzt bleiben"
Vor Beginn der Vertreterversammlung hatten mehr als 200 Ärzte und Patienten vor dem nordrheinischen Beschwerdeausschuss gegen die Regresspraxis demonstriert. "Ich möchte Arzt sein und Arzt bleiben", betonte dort der mit sechsstelligen Regressforderungen konfrontierte Allgemeinmediziner Dr. Jörg Blettenberg aus Lindlar.
Dem stehe die Arbeit unter der ständigen Regressdrohung entgegen. Es solle nicht Verschwendung herrschen, aber Gerechtigkeit, Planbarkeit und Wertigkeit, so der Hausarzt.
"Wenn dies alles nicht greift, wird dieser freie Beruf in höchstem Maße unfrei, denn Verweigerung und Budgetgedanken beherrschen schon jetzt zunehmend den Maßstab ärztlichen Handelns."
In einer schriftlichen Stellungnahme zu den Protesten verwies der KVNo-Vorsitzende Dr. Peter Potthoff auf die geringe Zahl von Regressen, die in den vergangenen vier Jahren effektiv in Nordrhein verhängt wurden. Von den rund 16.000 verordnenden Vertragsärzten seien jeweils pro anno nur fünf bis 17 Kollegen von Arzneimittel-Regressen betroffen gewesen.
"Gleichwohl steht außer Frage - und hier ist der Unmut von betroffenen Kolleginnen und Kollegen nachzuvollziehen -, dass die Prüfverfahren mit aufwändigen Recherchen verbunden sind, um die Wirtschaftlichkeit von Verordnungen zu belegen, die oftmals mehrere Quartale oder gar Jahre zurückliegen", stellte Potthoff klar. Deshalb habe er wiederholt die Abschaffung der Regresse gefordert.
Signal an den Nachwuchs
"Regresse haben als Mittel der Sanktion ausgedient", sagte der Vorsitzende der Vertreterversammlung Dr. Frank Bergmann. Den im Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz vorgesehenen Wegfall der Richtgrößenprüfungen bezeichnete er als "Etikettenschwindel".
Es werde lediglich die Zuständigkeit vom Gesetzgeber auf die Selbstverwaltung auf Landesebene verlagert, kritisierte Bergmann. "Dieses Manöver der Politik, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, und die Verantwortung für die unpopulären Prüfungen der Selbstverwaltung anzuhängen, dieses Manöver ist zu durchsichtig, als dass wir es der regierenden Koalition durchgehen lassen sollten."
Angesichts der geringen Zahl tatsächlicher Regresse seien die mit den Verfahren verbundenen Kosten und die Bürokratie nicht mehr zu rechtfertigten, so ÄKNo-Präsident Rudolf Henke auf der Kammerversammlung.
Von einer Abschaffung würde eine "psychologische Signalwirkung" gerade für junge Kollegen ausgehen. "Es wäre gut, wenn man ganz aufhören würde mit den existenzbedrohenden Strafzahlungen", erklärte er. (iss)