Ärzten geht Bahrs Versorgungsgesetz nicht weit genug

Der Entwurf für das Versorgungsgesetz wartet mit einem Paukenschlag für Ärzte auf. Die Verpflichtung, die Ambulanten Kodierrichtlinien flächendeckend umzusetzen, soll entfallen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist einer der Architekten des Versorgungsgesetzes, von dem nun ein Entwurf vorliegt.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist einer der Architekten des Versorgungsgesetzes, von dem nun ein Entwurf vorliegt.

© dpa

BERLIN. Überraschung im Arbeitsentwurf für das Versorgungsgesetz. "Die Verpflichtung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene für die Ärztinnen und Ärzte Richtlinien zur Dokumentation der ärztlichen Behandlungsdiagnosen zu erarbeiten (ambulante Kodierrichtlinien) entfällt," heißt es unter anderem in dem 163 Seiten starken Papier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Ärzte sehen das "Bürokratiemonster" erlegt

Eine erste Reaktion aus der Ärzteschaft: Damit sei ein drohendes "Bürokratiemonster abgeräumt" worden, sagte Hartmannbund-Chef Kuno Winn. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung will sich am Montag auf ihrer Vertreterversammlung in Kiel dazu äußern. Der GKV-Spitzenverband hatte sich noch am Tag vor der Veröffentlichung der Nachricht für eine flächendeckende Umsetzung der ambulanten Kodierrichtlinien eingesetzt.

Ziel des Versorgungsgesetzes ist es, die ärztliche Versorgung flächendeckend zu sichern und dem drohenden Ärztemangel frühzeitig zu begegnen. So sollen Ärzte, die sich auf dem Land oder in unterversorgten städtischen Bezirken niederlassen, von den Fesseln des Regelleistungsvolumens weitgehend befreit werden, was die Sorge mindert, von den Kassen in Regress genommen zu werden. Außerdem sollen sie Zuschüsse für Investitionen und für die Gründung von Zweitpraxen bekommen. Telemedizin und die Delegation ärztlicher Leistungen auf Pflegekräfte und Medizinische Fachangestellte sollen ausgebaut werden.

Der Bundesärztekammer (BÄK) gehen die Pläne des Gesundheitsministeriums nicht weit genug. "Man muss viel innovativer sein, wenn Ärzte sich auch in der Fläche niederlassen sollen", sagte BÄK-Vizepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery der "Deutschen Presse Agentur". Er forderte eine neue Gebührenordnung und mehr Geld für die Ärzte. "Es gibt immer eine Eskalationsstrategie", sagte Montgomery. Notfalls würden die Ärzte das Land oder die Medizin verlassen.

Für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigt der Entwurf in die richtige Richtung. Ob der Ärztemangel schon da sei, wollte er bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs am Freitag nicht weiter kommentieren. "Diese Diskussion ist nicht entscheidend", Er als "verantwortungsbewusster" Minister müsse aber im Blick behalten, was in zehn Jahren der Fall sein könnte. Und bereits heute sei es schwierig, Nachfolger für Praxen zu finden und Stellen in Kliniken nachzubesetzen.

Unterstützung erhält der Minister darin von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die KBV schätzt demnach, dass bis 2020 rund 67.000 Ärzte in den Ruhestand gehen (siehe Artkel Seite 5).

Keine Überraschung ist dagegen, dass das Ministerium nicht versäumt hat, aktuelle Diskussionen noch auf den letzten Drücker im Arbeitsentwurf unterzubringen: Kassen müssen - nach der Pleite der City BKK - künftig mit empfindlichen Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro rechnen, wenn sie wechselwillige Versicherte abwimmeln.

Kassen sollen für Methodenerprobung bezahlen

Eine weitere Überraschung betrifft die Hersteller von Medizinprodukten. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf Probe von den Kassen erstatten lassen dürfen. Das ist ein weiteres Feld, auf dem das Prinzip Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt in den ambulanten Sektor hinein ausgedehnt wird. Denn auch Vertragsärzte können ihre Teilnahme an einer solchen Erprobung erklären. Dazu müssen sie vom GBA jeweils festgelegte Anforderungen erfüllen.

Unternehmen sollen sogar das Recht erhalten, vom Gemeinsamen Bundesausschuss eine Entscheidung darüber zu verlangen, ob eine Innovation in die Erprobungsphase gehen soll.

Um zu vermeiden, dass Medizinproduktehersteller dieses Verfahren als von der Kasse bezahltes Testlabor ansehen, sollen sie sich an den Kosten der Erprobungen und der wissenschaftlichen Begleitung "in angemessenem Umfang" beteiligen.

Lesen Sie dazu auch: Im Gesetz steckt der GBA 2.0 Bedarfsplanung: Flexibilität und Einfluss für die Länder Honorar: Mehr Verantwortung in den Regionen Spezialärzte: Mehr Freiheiten bei seltenen Krankheiten

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