Ambulantisierung
Ambulantes Operieren: Gastroenterologen stößt novellierter AOP-Katalog heftig auf
Die Zielrichtung beim AOP-Katalog, der zum Jahreswechsel in Kraft getreten ist, stimmt, konzedieren Gastroenterologen. Die Ambulantisierung könnte aber zur Versorgungsfalle werden, warnen sie.
Veröffentlicht:Berlin. Der zum Jahreswechsel in Kraft getretene, modifizierte Katalog für ambulante Op (AOP-Katalog) sorgt nicht nur bei HNO-Ärzten für Unruche. Der vom GKV-Spitzenverband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) weiterentwickelte AOP-Katalog wurde um 208 OPS-Kodes erweitert.
Weiterer Unruheherd: Der überwiegende Anteil aller endoskopischen Leistungen in der Gastroenterologie erfolgen primär ambulant ohne regelhafte stationäre Nachbeobachtung. Dies schaffe neue Versorgungslücken und gefährde die Patientensicherheit, kritisieren nun die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), die Arbeitsgemeinschaft Leitender Gastroenterologischer Krankenhausärzte (ALGK) und der Berufsverband der Niedergelassenen Gastroenterologen (bng) im einer gemeinsamen Stellungnahme.
Die Fachverbände bemängeln zudem, dass viele endoskopische Leistungen derzeit im ambulanten Umfeld nicht kostendeckend vergütet seien und dadurch das Angebot in Frage gestellt wird. Sie fordern die Verantwortlichen schnellstmöglich zu Nachbesserungen auf.
Der neue Vertrag beinhalte nun auch zahlreiche komplexe endoskopische Leistungen, die bislang stationär erbracht wurden, wie etwa Ableitungen aus dem Gallen- und Bauchspeicheldrüsengang (ERCP) oder die endoskopische Entfernung breitflächiger Adenome im Magen-Darm-Trakt. „Diese endoskopischen Eingriffe sind mit einem relevanten Risiko für Komplikationen verbunden, die möglichst früh erkannt und behandelt werden müssen“, erklärt Professor Jörg Albert, Vorsitzender der DGVS Kommission für Medizinische Klassifikation und Gesundheitsökonomie. „Eine angemessene Nachbeobachtung ist daher unverzichtbar, derzeit im ambulanten Setting aber nicht abgebildet“, kritisiert der Gastroenterologe.
Gastroenterologen: Ärzte in der Haftungsfalle
Gleichzeitig trügen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte unverändert die Verantwortung für die komplette Versorgung der Patientinnen und Patienten nach der Entlassung ins häusliche Umfeld und seien für Komplikationen auch juristisch haftbar. „Dieses ungelöste ärztliche Haftungsproblem begünstigt die Entstehung einer Versorgungslücke“, so Albert. „Im schlimmsten Fall unterbleibt eine notwendige medizinische Behandlung, wenn die Nachsorge nach dem ambulanten Eingriff nicht gesichert ist“, so Albert.
Wann ambulante Leistungen nach dem AOP-Katalog doch stationär durchgeführt werden dürfen, richtet sich nunmehr nach Kontextfaktoren wie beispielsweise dem Pflegegrad oder den motorischen bzw. kognitiven Funktionseinschränkungen eines Patienten. Die aktuellen Regelungen sehen vor, dass erst ab Pflegegrad 4 oder schwersten motorischen bzw. kognitiven Funktionseinschränkungen AOP-Leistungen auch stationär erbracht werden dürfen. „Diese Einteilung ist allerdings nicht ausreichend und trifft für viele nicht zu“, kritisiert bng-Chef Dr. Ulrich Tappe. „Gerade hochbetagte Patientinnen und Patienten, Demenzkranke oder Menschen mit weiteren körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen rein ambulant zu operieren, ist in vielen Fällen medizinisch nicht vertretbar und bedroht die Patientensicherheit. Hier bedarf es dringend einer Nachbesserung“ stellt Tappe fest.
Auch an der Vergütungsschraube muss nochmals gedreht werden
Dies gelte selbstredend auch für die Vergütung der nun ambulant zu erbringenden Leistungen, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) festgelegt sind. Verschiedene Wirtschaftlichkeitsanalysen und Gutachten hätten gezeigt, dass mehrere endoskopische Leistungen unter den aktuellen Regelungen nur defizitär erbracht werden könnten. „Wenn Krankenhäuser aus der Erbringung ambulanter Leistungen ein finanzieller Nachteil entsteht, werden sie diese nicht auf Dauer anbieten können“, prognostiziert ALGK-Vorsitzender Professor Thomas Frieling. „Wir fordern daher eine sachgerechte Vergütung der Leistungen des AOP-Kataloges“, so der Gastroenterologe. Der aktuelle AOP-Vertrag sei unter hohem zeitlichem Druck finalisiert worden, so der ALGK Vorsitzende. Die anberaumte Übergangsfrist bis 31.März 2023 sollte daher gemeinsam genutzt werden, denn die Vertragsgestalter seien bereits im Vorfeld von DGVS, ALGK und bng mehrfach durch persönliche Gespräche, offizielle Stellungnahmen und ein Gutachten auf die problematische Vergütungssituation hingewiesen worden, ohne dass dies bei der bisherigen Vertragsgestaltung berücksichtigt worden sei.
Die Gastroenterologen unterstützten die Bemühungen um die Ambulantisierung. Bei allen Initiativen müsse jedoch das Wohl der Patienten und die Sicherheit deren Versorgung an oberster Stelle stehen. Damit die Patientinnen und Patienten von einer Stärkung ambulanter Versorgungsstrukturen profitierten, sei es zwingend, die in wissenschaftlichen Leitlinien definierten Qualitätsanforderungen zu etablieren und zu berücksichtigen, so die Vertreter der gastroenterologischen Fachverbände.