Mogelpackung?
Analysten heben PKV-Leistungen auf Prüfstand
Die Rating Agentur Assekurata hat in einer neuen Analyse untersucht, wie groß der Leistungsumfang verschiedener PKV-Tarife in Wirklichkeit ist.
Veröffentlicht:KÖLN. Ob sie beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung (PKV) die richtige Wahl getroffen haben, merken viele Kunden erst, wenn sie eine Rechnung einreichen. Bei manchen Policen sind ganze Leistungsbereiche ausgeklammert, oder die Erstattung ist begrenzt.
So übernehmen nicht alle Versicherer die vollen Kosten der Behandlung in einer Privatklinik, sondern begrenzen die Erstattung auf das deutlich niedrigere Preisniveau in öffentlichen Krankenhäusern. Versicherte können auf einem stolzen Eigenanteil sitzen bleiben, ohne dass es ihnen vorher bewusst war.
"Die PKV muss Zugang zu Privatkliniken verschaffen - wer sonst", sagt Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der Rating-Agentur Assekurata. Seiner Einschätzung nach muss eine gute PKV-Police mindestens 150 Prozent der Kosten übernehmen, die in einem öffentlichen Krankenhaus angefallen wären.
Dieses Kriterium hat Assekurata deshalb in eine neue Tarifanalyse für die PKV aufgenommen, die den Leistungsumfang in den Mittelpunkt stellt.
"Wir haben uns die anderen Produktvergleiche in der PKV angeschaut und dort eine Lücke gesehen", erläutert Will. Viele Vergleiche orientieren sich seiner Einschätzung nach zu stark am Preis. "Der Preis ist aber in der PKV eine Momentaufnahme."
Beitragsstabilität wird untersucht
Assekurata untersucht, ob ein Kunde tatsächlich die Leistungen erhält, die zum Standard-, Komfort- oder Top-Schutz in der PKV gehören, sagt er. Gleichzeitig prüft das Unternehmen die Beitragsstabilität. Ein Privattarif muss mindestens das erstatten, was auch gesetzliche Kassen bezahlen, und zusätzliche Leistungen bieten, findet Will.
Das definiert Assekurata als Grundleistungen, hinzu kommen Zusatzleistungen. Zum Grundbereich zählt die Erstattung von Arznei- und Verbandmitteln. Tarife, die auf den Austausch von Originalpräparaten durch Generika setzen, lehnt Will ab. "Wir wollen nicht, dass chronisch Kranke gezwungen werden, die Medikamente zu wechseln."
Zwar leisten viele PKV-Unternehmen mehr, als ihre Versicherungsbedingungen hergeben. Die Folge ist aber: "Der Kunde hat auf gewisse Dinge keinen Rechtsanspruch und wird damit zum Bittsteller", sagt der Mathematiker und freiberufliche Analyst Axel Fürderer, der mit Assekurata zusammenarbeitet.
Die Rating-Agentur hat K.o.-Kriterien definiert, die automatisch zu einer schlechteren Bewertung führen. Dazu zählt die Deckelung der Kostenübernahme bei Hilfsmitteln auf 80 Prozent. "Wenn ein Versicherer definieren würde, dass er bei ärztlichen Leistungen grundsätzlich nur 90 Prozent erstattet, würden wir das auch nicht akzeptieren", sagt Will.
Über ein Punktesystem bewertet Assekurata in der Vollversicherung insgesamt 30 Leistungsbereiche, am Ende der Untersuchung steht eine Schulnote.
Die PKV-Unternehmen bezahlen für die Bewertung. Assekurata zeigt ihnen die Schwachstellen der Tarife auf, die Versicherer können im Detail nachbessern oder das, was sich nachträglich nicht ändern lässt, bei neuen Tarifen verbessern. Ferner können sie das Ergebnis mit einem Siegel nach außen dokumentieren, was wohl nur diejenigen tun werden, die gut abschneiden.
Das war bei der Allianz Private Krankenversicherung der Fall, die als erste das neue Bewertungsverfahren mit neun Tarifen, darunter zwei Ärztetarife, durchlaufen hat. Alle erhielten die Note "sehr gut".
"Neben der sehr detaillierten Untersuchung aller Leistungsbereiche und Bedingungswerke war uns die Betrachtung der Rechnungsgrundlagen besonders wichtig", sagt die Vorstandsvorsitzende des Versicherers Dr. Birgit König. "Wir haben eine gute Chance gesehen, unser Angebot noch attraktiver zu gestalten und zugleich die solide Finanzierungsbasis durch einen neutralen Dritten prüfen zulassen."
Keine Ausnahme bei Ärztetarifen
Die Bewertung von Ärztetarifen läuft nach exakt denselben Kriterien wie bei anderen Tarifen, sagt Will. Es mache keinen Sinn, eine andere Gewichtung vorzunehmen, etwa bei der Erstattung von Heilpraktiker-Leistungen oder den GOÄ-Sätzen.
Schließlich stehen die Ärztetarife ja auch den Ehepartnern offen. "Außerdem müssen wir bei allen Bewertungen dieselben Standards einhalten", betont Will.
Die Sicht der Spezialisten auf den Gesamtmarkt ist eher ernüchternd. "Mehr als die Hälfte der Tarife sind in einem Bereich, den man nicht veröffentlichen würde", schätzt Tarifanalyst Fürderer.