Börse
Analysten hoffen auf bessere Zeiten
Die wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen in Ost- und Südeuropa drücken auf die Börsenkurse von Aktien. Anleger sollten sich vorerst mit Käufen zurückhalten, raten Experten.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Die Krisen in der Ukraine und in Südeuropa sowie schwache Wirtschaftsdaten haben die Börsen in Turbulenzen gestürzt. Obwohl viele Aktien deutlich billiger geworden sind, raten Strategen Anlegern noch nicht zum Kauf.
Der Konflikt in der Ukraine belastet zunehmend das Verhältnis zwischen der EU und den USA auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seite. Die westlichen Verbündeten haben ihre Sanktionen gegen Moskau ausgeweitet. Russischen Großbanken ist der Zugang zu den Kapitalmärkten massiv erschwert worden.
Der Export zahlreicher Güter, darunter von Spezialgeräten zur Ölförderung, wurde verboten. Russland konterte mit einem Einfuhrstopp für landwirtschaftliche Güter aus EU-Staaten.
Das dämpft auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Der vom Münchner ifo-Institut erstellte Konjunkturindex fiel von 123 Zählern auf 118,9 Punkte. Die Erwartungen der Unternehmen für die künftige Geschäftsentwicklung "haben sich deutlich eingetrübt", vermelden die ifo-Forscher.
Das überrascht nicht: Viele deutsche Firmen unterhalten Handelsbeziehungen mit Partnern in Russland. "Mehr als 40 Prozent der von uns befragten Unternehmen haben solche Kontakte", sagt ifo-Präsident Hans Werner Sinn.
Deutsche Wirtschaft nicht krisenfest
Darüber hinaus zeigt sich, dass die deutsche Wirtschaft doch nicht resistent ist gegen die Wirtschaftskrise in Südeuropa. Die von Portugal bis Griechenland verhängten Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen haben dazu geführt, dass dortige Unternehmen deutlich weniger bei ihren hiesigen Partnern ordern.
Die Industrieproduktion in Deutschland gab im zweiten Quartal um ein Prozent nach, die Erzeugung im produzierenden Gewerbe sank um 1,5 Prozent. Die Auftragseingänge in der Industrie fielen im Juni sogar um 3,2 Prozent.
Die Krise in der Ukraine könne die Lage weiter verschlechtern, warnt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank. Der Konflikt lähme "Investitionsentscheidungen und resultiert schlussendlich in minimierter Wirtschaftstätigkeit." An den Börsen könne die Talfahrt deshalb weiter gehen, der deutsche Aktienindex Dax vorübergehend "bis auf die Bandbreite von 8000 bis 8200 Punkten fallen", sagt der Ökonom.
Zwar rät kaum ein Analyst, jetzt noch Aktien zu verkaufen. "Mittelfristig werden sich die Börsen wieder erholen", sagt Dieter Thomaschowski, Inhaber des Analysehauses Thomaschowski Research & Advisory. Viele Strategen warten aber mit Neuengagements ab. "In der gegenwärtigen Phase sind wir bereit, geduldig den richtigen Moment abzupassen", sagt Ariel Bezalel, Fondsmanager des Jupiter Dynamic Bond Fund der britischen Investmentgesellschaft Jupiter Asset Management.
Der Fonds investiert in Anleihen. Deren Kurse sind deutlich gestiegen, weil Investoren von Aktien in diese festverzinslichen Papiere umgeschichtet haben. Durch die Kursanstiege sind jedoch die aus den festen Zinskupons erzielbaren Renditen deutlich gesunken und machen weitere Käufe gegenwärtig unattraktiv. Zehnjährige Bundesanleihen rentierten vergangene Woche auf einem Rekordtief von nur 1,103 Prozent.
"Anleger sollten in der aktuellen Marktphase erst einmal abwarten", meinen auch Andreas Büchler und Franz-Georg Wenner, die täglich für den Index-Radar der auf computergesteuerte Handelsmodelle spezialisierten Qarat AG das Börsengeschehen analysieren. "Der Gesamtmarkt dürfte vorläufig weiter schwach bleiben."
Tagesgeld als Überbrückungsoption
Anleger, die ihr Kapital zwischenzeitlich halbwegs rentierlich parken wollen, können zu täglich kündbaren Tagesgeldofferten greifen. Zu den Topanbietern zählen die Audi Bank und die Volkswagen Bank. Sie bieten gegenwärtig einen Zinssatz von 1,4 Prozent auf Tagesgeldeinlagen von bis zu 50.000 Euro für eine Dauer von bis zu vier Monaten.
Die ING-Diba offeriert 1,25 Prozent für vier Monate für Einlagen von bis zu 100.000 Euro.