Über KV-Grenzen hinweg
Arzt etabliert kleine Praxiskette
Auf 2100 Scheine kommt Allgemeinmediziner Dr. Haroon Nawid in seinen beiden Hamburger Praxen. Doch damit nicht genug: Er ist auch im Umland aktiv - und plant jetzt seine dritte Zweigstelle.
Veröffentlicht:HAMBURG. Mit angestellten Ärzten lassen sich Praxen nicht gewinnbringend betreiben, lautet ein hartnäckiges Vorurteil im ambulanten Bereich. Dr. Haroon Nawid hat andere Erfahrungen gemacht: Er will demnächst eine vierte Praxis übernehmen und auch dort mit angestellten Kollegen arbeiten.
Der in Afghanistan geborene und in Deutschland aufgewachsene Allgemeinmediziner beweist, dass Ärzte durchaus in der Lage sind, mehrere Kassenarztsitze zu managen und damit auch noch Geld zu verdienen.
Nawid macht allerdings vieles anders als seine Kollegen. Zunächst hat sich der Arztsohn schon vor dem Medizinstudium für die Niederlassung entschieden.
Dann hat er sich in anderen Ländern umgesehen, wie dort Medizin organisiert wird und sich für Deutschland entschieden. "Hier hat man als Arzt zwar beschränkende Rahmenbedingungen, aber auch ein soziales System."
Praxis-Expansion ins Herzogtum
"Ich habe mich entschieden, das Beste aus diesen Rahmenbedingungen zu machen", sagt der Weltenbummler. Nach einigen Jahren als niedergelassener Allgemeinarzt in Hamburg hat er gemerkt, dass sich sein Praxisbetrieb im Stadtteil Wandsbek nicht mehr weiter optimieren ließ. Deshalb hat er sich für weitere Kassenarztsitze interessiert.
Durch einen befreundeten Kollegen wurde ihm außerhalb Hamburgs eine Praxis angeboten: In Schwarzenbek, einer Kleinstadt im Herzogtum Lauenburg, rund eine halbe Autostunde östlich der Metropole.
Nawid analysierte Kaufpreis, Kostenstruktur und Patientenpotenzial, informierte sich über die in Schleswig-Holstein üblichen Fallwerte, suchte nach einem Kollegen und entschied sich für die Übernahme.
Nawid hält weiterin Sprechstunde in seiner Praxis in Hamburg-Wandsbek und beschäftigt in Schwarzenbek auf einer Vollzeitstelle Diplom-Mediziner Obaidullah Sulimankhil, der ebenfalls aus Afghanistan stammt.
Seit der Übernahme verzeichnet die Praxis deutlich mehr Patienten und weist mit inzwischen 1200 Scheinen weit mehr als der Durchschnitt in Schleswig-Holstein (850) auf.
Seinen angestellten Kollegen motiviert er mit einer Gewinnbeteiligung und der Option, die Praxis bei Interesse übernehmen zu können. Vor einem Jahr kam schließlich die dritte Praxis hinzu - in direkter Nachbarschaft zu seinem Stammsitz.
Von der KV Hamburg erhielt er eine Liste mit Namen von Kollegen, die eine Anstellung suchen, und stellte eine Kollegin ein, die das eigene Leistungsspektrum der Stammpraxis ergänzt. So können Patienten bei Bedarf zur anderen Praxis geschickt werden.
Außerdem sind gegenseitige Vertretungen möglich. Zusammen kommen die beiden Hamburger Praxen auf 2100 Scheine, der Durchschnitt liegt in der Hansestadt deutlich niedriger.
Maximum ist für den Arzt erreicht
Inzwischen ist auch die nächste Praxis für Nawid schon in Sicht. Er hat sich bereits mit einem Praxisinhaber geeinigt, dann auf die vierte Praxis in seiner kleinen Kette. Damit wäre die Expansion beendet.
Denn ein niedergelassener Arzt darf maximal drei Kassenarztsitze neben seiner Stammpraxis führen, wenn er denn entsprechende angestellte Kollegen dafür findet. Nawid betreibt die Praxiskette wie ein mittelständisches Unternehmen, bei dem derzeit immerhin zehn Angestellte beschäftigt sind. Ein einheitliches Logo für die Praxen ist in Arbeit.
Nawid wird trotz allem weiter als Arzt in seiner Praxis bleiben. 70 Prozent seiner Arbeitszeit, so schätzt er, wendet er für die Medizin auf, 30 Prozent für die Organisation. Wenn diese Werte stimmen, liegt er mit dem administrativen Aufwand nicht höher als Kollegen, die sich ausschließlich um eine Einzelpraxis kümmern.
Anders als viele Kollegen begreift er diesen Aufwand aber nicht als Belastung: "Mir macht das Organisieren einfach Spaß. Aber ich bin auch mit Leib und Seele Arzt und werde das auch bleiben."