Urteil
BGH: Abruptio nur vor Öffnung der Gebärmutter rechtmäßig
Nach Einleiten der Geburt ist kein straffreier Schwangerschaftsabbruch mehr möglich, so der BGH. Er bestätigt damit die Verurteilung zweier Gynäkologen wegen Totschlags.
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Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung zweier Gynäkologen wegen Totschlags im Zusammenhang mit einer Zwillingsgeburt bestätigt.
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Karlsruhe/Leipzig. Ein straffreier Schwangerschaftsabbruch ist ab Geburtsbeginn nicht mehr möglich. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag veröffentlichten Beschluss entschieden und damit die Verurteilung zweier Geburtsmediziner wegen Totschlags an einem schwerst hirngeschädigten Zwillingskind im Grundsatz bestätigt. Wie der 5. Leipziger Strafsenat des BGH klarstellte, beginnt die Geburt bei einem Kaiserschnitt mit der Eröffnung der Gebärmutter, um das Kind vom Mutterleib zu trennen. Eine dann erfolgte Tötung des Kindes stelle keinen Schwangerschaftsabbruch mehr dar.
Im Streitfall hatte 2010 der heute 73-jährige angeklagte Chefarzt im Ruhestand sowie die mitangeklagte 58-jährige Geburtsmedizinerin während einer Zwillingsschwangerschaft bei einem Kind schwerste Hirnschäden festgestellt. Das andere Kind hatte sich normal entwickelt. Nach Beratung der Mutter wollte diese die Schwangerschaft des allein geschädigten Kindes abbrechen lassen.
BGH: In Notsituation gehandelt
Das dabei gebräuchliche Verfahren des selektiven Fetozids lehnten die Ärzte wegen der Risiken für den gesunden Zwilling ab. Stattdessen wurde in Absprache mit der Mutter zunächst das gesunde Kind mithilfe eines Kaiserschnitts entbunden. Anschließend wurde das lebensfähige hirngeschädigte Kind durch eine Kaliumchlorid-Injektion getötet.
Als nach mehreren Jahren die Staatsanwaltschaft durch eine anonyme Anzeige von dem Vorgehen erfuhr, warf sie den Medizinern gemeinschaftlichen Totschlag vor. Da die Geburt bereits begonnen habe, habe es sich nicht mehr um einen straffreien Schwangerschaftsabbruch gehandelt.
Dem folgte das Berliner Landgericht und verurteilte die Ärzte wegen Totschlags in minder schwerem Fall zu Bewährungsstrafen von eineinhalb Jahren und ein Jahr und neun Monaten.
Der BGH bestätigte nun die Verurteilung wegen Totschlags. Die Tötung des geschädigten Kindes sei kein straffreier Schwangerschaftsabbruch gewesen. Dieser sei nur bis zum Geburtsbeginn möglich. Hier habe die Geburt aber bereits mit dem Kaiserschnitt und der Öffnung der Gebärmutter begonnen, sodass die anschließende Tötung des geschädigten Kindes als Totschlag anzusehen sei. Zu Unrecht habe das Landgericht aber den Ärzten zur Last gelegt, dass sie die Tat geplant und nicht in einer Notsituation begangen hätten. Die Höhe der Strafen müsse daher noch einmal neu verhandelt werden.
Bundesgerichtshof, Az.: 5 StR 256/20