Urteil

BMI von 28,7 darf Einstellung verhindern

Eine übergewichtige Bewerberin wird als Geschäftsführerin nicht eingestellt. Dabei verweist der einstellende Verein auch auf das Erscheinungsbild der Person. Keine Diskriminierung, urteilt jetzt ein Arbeitsgericht.

Veröffentlicht:

DARMSTADT. Gerade Führungsposten dürfen auch nach dem äußeren Erscheinungsbild der Bewerber besetzt werden. Das jedenfalls meint das Arbeitsgericht Darmstadt. Es wies jetzt die Diskriminierungsklage einer Stellenbewerberin ab, die nach eigener Einschätzung wegen ihres Übergewichts nicht als Geschäftsführerin eingestellt worden war.

Die Frau hatte sich als Geschäftsführerin beim "Borreliose und FSME Bund Deutschland" mit Sitz in Münster/Hessen bei Darmstadt beworben. Nach einem ersten Vorstellungsgespräch hatte der Verband offenbar Interesse. Er lud die Frau zu einem weiteren Gespräch ein.

Schon im Vorfeld fragte die stellvertretende Vereinsvorsitzende und kommissarische Geschäftsführerin jedoch nach, warum die Bewerberin kein Normalgewicht habe.

Diskriminierungsentschädigung von 30.000 Euro gefordert

Zur Begründung hieß es, dass die von dem Verband vertretenen Patienten auch auf ihr Gewicht achten müssten. Eine übergewichtige Geschäftsführerin würde die Empfehlungen des Vereins für Ernährung und Sport unterlaufen.

Laut Spiegel Online sagte die Frau, sie trage Kleidergröße 42. Ebenfalls nach eigenen Angaben wiegt sie mit 1,70 Metern allerdings 83 Kilogramm. Das entspricht einem Bodymass-Index (BMI) von 28,7. Dieser gilt als deutlich übergewichtig, aber noch nicht als adipös.

Dem Ehemann der Bewerberin soll die stellvertretende Vereinsvorsitzende gesagt haben, ohne Informationen zu ihrem Übergewicht brauche sie zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht zu erscheinen. Tatsächlich kam die Frau zu diesem Termin nicht.

Mit ihrer Klage verlangt sie eine Diskriminierungsentschädigung von 30.000 Euro. Unter Vorsitz einer Richterin wies die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Darmstadt die Klage jedoch ab. Die Frau sei nicht so übergewichtig, dass dies als Behinderung gelte. Eine verbotene Diskriminierung wegen einer Behinderung scheide daher aus.

Verteidigung will in Berufung gehen

Auch eine unzulässige Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Bewerberin liege nicht vor. Immerhin habe der Verein sie zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Dabei habe der Verein jedenfalls auch die Bereitschaft der Bewerberin erwarten dürfen, sich über ihr äußeres Erscheinungsbild auszutauschen.

Der Verband sei nicht verpflichtet gewesen, "seine Entscheidung über die Einstellung gänzlich unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu treffen", betonte das Arbeitsgericht.

Vielmehr habe er auch berücksichtigen dürfen "ob die Klägerin aufgrund ihrer Gesamtpersönlichkeit und Erscheinung bereit und in der Lage ist, die Anliegen des Vereins, namentlich dessen Empfehlungen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten, überzeugend zu vertreten".

Die Verteidigung kündigte an, in die Berufung zu gehen. (mwo)

Az.: 6 Ca 22/13

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Welche Endpunkte sind patientenrelevant?

Patientenrelevanz: Ein Kommentar aus juristischer Sicht

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 16.06.201409:43 Uhr

Zum Ministerposten reicht ein BMI von 28,7 oftmals gar nicht aus!

Sigmar Gabriel als Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler müsste bei minimal geschätzten 127 kg Körpergewicht (KW) nach meiner Body-Mass-Index Tabelle mit einem BMI von 28,7 eine Größe von mindestens 2 Meter und 10 Zentimeter aufweisen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, den ich gesundheitsfördernder Weise mal auf 120 kg KW schätze, müsste 2,04 Meter groß sein.

Beim Ex-Bundesumweltminister Peter Altemeier versagen meine hellseherischen und schätzenden Fähigkeiten: Er müsste für einen BMI von 28,7 m. E. mindestens zweieinhalb Meter groß sein. Außer Konkurrenz rollt Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, der bei seinen Größen- und Gewichtsangaben verständlicherweise mogeln darf.

Bei zu niedrigem BMI gibt es offenkundig bei Personalentscheidungen nicht nur im "Model"-Gewerbe weniger Bedenken: Doch bei einem noch normalen BMI von 20,0 wiegt ein 1,90 Meter großer Mensch nur 72 kg. Das sieht dann eher nach Untergewicht aus.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung