Besondere Versorgung
BSG billigt Ausweitung ambulanter Operationen durch Selektivverträge
Das Bundessozialgericht sieht für 140a-Verträge einen weiten Spielraum. Das betrifft sowohl Honorar- und Abrechnungsmodalitäten als auch den Umfang ambulant erbringbarer Leistungen.
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Was nicht passt, darf passend gemacht werden: Den Partnern besonderer Versorgungsverträge nach 140a SGB V räumt das Bundessozialgericht viele Freiheiten ein.
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Kassel. Ärzte haben gemeinsam mit den Krankenkassen einen weiten Spielraum für Selektivverträge der sogenannten „besonderen Versorgung“ nach Paragraf 140a SGB V. Zulässig sind hier nicht nur Abweichungen von den Vergütungsregelungen, sondern auch vom Leistungsumfang des EBM, urteilte jetzt der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts.
Damit bestätigten das BSG einen solchen Vertrag der Bahn-BKK. Dessen Schwerpunkt ist eine Ausweitung ambulanter Operationen. Einen Katalog bestimmter Eingriffe, die in der Regelversorgung bislang stationär erfolgen, können beteiligte Ärzte danach auch ambulant anbieten, wenn sie dies für medizinisch sinnvoll halten. Beispiele sind „Eingriffe an Handgelenk oder Hand ohne komplexe oder mäßig komplexe Eingriffe“ oder einfachere Eingriffe an der Harnblase. Ambulante Op seien nicht nur kostensparend, sondern oft auch für die Versicherten attraktiv und hier zudem freiwillig, so die Kasse.
Verlagern erwünscht
Das Bundesversicherungsamt (heute „Bundesamt für Soziale Sicherung“) warf der Bahn-BKK vor, sie habe neue Leistungen „erfunden“. Dies lasse das Gesetz nicht zu. Die BKK müsse den Vertrag daher kündigen. Dementgegen argumentierte die Bahn-BKK, es würden lediglich bestehende stationäre Leistungen in den ambulanten Sektor verschoben. Dies sei vom gewollt weiten Spielraum für Verträge der besonderen Versorgung gedeckt.
Dem ist das BSG nun gefolgt. Den aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheid zur Kündigung des Vertrags hoben die Kasseler Richter damit auf. „Dass nach dem von der Klägerin geschlossenen Vertrag über eine besondere Versorgung Operationen ambulant durchgeführt werden können, die in der Regelversorgung nur stationär durchgeführt werden könnten, ist rechtlich nicht zu beanstanden.“
Danach besteht für solche Verträge ein sehr weiter Spielraum. Er erlaube Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (Drittes Kapitel SGB V) und auch von den Vorgaben für die Beziehungen zwischen Kassen und Leistungserbringern (Viertes Kapitel SGB V).
Wichtig für Ärzte: Das umfasst auch den EBM – und zwar neben den darin enthaltenen Vergütungsregelungen auch dessen Funktion als Leistungskatalog. Dazu das BSG: „Die Vereinbarung eigenständiger Vergütungsstrukturen und der Verzicht auf die Vorgaben des EBM ist wesentlicher Teil des Gestaltungsspielraums der Partner eines Vertrages nach Paragraf 140a SGB V.“
Vertragsarzt-Zulassung limitiert Leistungsspektrum nicht
Die Möglichkeit, Operationen in weiterem Umfang als in der Regelversorgung ambulant durchzuführen, sei davon nicht nur gedeckt, sondern entspreche sogar dem Ziel des Gesetzgebers, „die Entwicklung abweichender Versorgungsstrukturen zu ermöglichen und so Impulse für die Fortentwicklung der Regelversorgung zu geben“. Gerade bei ambulanten Operationen habe es Kritik gegeben, dass Deutschland anderen Ländern weit hinterherhinke.
Auch die Kritik, teilnehmende Ärzte würden die Kompetenzen ihrer Zulassung überschreiten, hatte vor dem BSG-Vertragsarztsenat keinen Bestand. „Die vertragsärztliche Zulassung ist grundsätzlich Voraussetzung für die Erbringung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen, sie legt aber nicht die erbringbaren beziehungsweise abrechenbaren Leistungen fest“, stellten die Richter klar. Dabei sei es auch zulässig, dass Ärzte die Infrastruktur eines Krankenhauses nutzen.
Bundessozialgericht, Az.: B 6 A 1/20 R