Ökonomisierung der Medizin
Bundesärztekammer sieht ärztliche Unabhängigkeit auf dem Spiel
Notwendig sei ein Finanzierungssystem, das Ärztinnen und Ärzte darin fördert, dem einzelnen Patienten gerecht zu werden, heißt es in den „Thesen zur Ökonomisierung der ärztlichen Berufstätigkeit“.
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Zahlen und nicht das Patientenwohl sieht die Bundesärztekammer im Vordergrund der aktuellen Finanzierungsmodelle in Klinik und Praxis.
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Berlin. Die Bundesärztekammer sieht die ärztliche Unabhängigkeit durch eine zunehmende Kommerzialisierung der Medizin in Gefahr. Konkret macht BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt dies bei der Vorstellung der „Thesen zur Ökonomisierung der ärztlichen Berufstätigkeit“ an den Fallpauschalen in den Kliniken fest. Das DRG-System setze zur Krankenhausfinanzierung Anreize zur Fallzahlensteigerung, werte die Indikationsqualität ab und belohne Aktionismus.
Zwar bestehe in einer als Solidargemeinschaft angelegten Krankenversicherung die Pflicht zu sparsamem Handeln, heißt es in dem Papier. Wenn aber die ökonomischen Bewertungskriterien eine Übergewichtung erhielten, würden rein betriebswirtschaftliche Ziele sukzessive zu den neuen Zielen der Medizin.
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Deshalb müsse die Krankenhausfinanzierung umfassend reformiert werden. Das Fallpauschalensystem sei gescheitert, so Reinhardt. Es führe zu einer grundlegenden Fehlsteuerung, weil es Krankenhäuser dazu motiviere, sich nach industriellen Gesichtspunkten zu organisieren. Wichtige Aspekte der ärztlichen Tätigkeit würden hingegen nicht honoriert, beispielsweise die Fürsorge für den Patienten.
Fehlanreize in Klinik wie auch Praxis
Reinhardt begrüßte daher die von der Bundesregierung geplante Reform der Krankenhausfinanzierung. Notwendig sei ein Finanzierungssystem, das Ärztinnen und Ärzte darin fördere, dem einzelnen Patienten gerecht zu werden. Die BÄK fordert außerdem, den tatsächlichen Personalbedarf realistisch zu messen und die Zuwendung zum Patienten in den Mittelpunkt zu rücken.
Auch im ambulanten Bereich sieht die BÄK finanzielle Fehlsteuerungen. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab setze Anreize zu einer „Durchschleusungsmedizin“ unter Inkaufnahme einer Einschränkung der psychosozialen Versorgung. Bei der Einführung sogenannter Hybrid-DRGs dürften die im stationären Bereich gemachten Fehler in der ambulanten Versorgung nicht wiederholt werden. (eb)