Start der betriebsärztlichen Corona-Impfungen
COVID-19-Impfungen in Unternehmen: Kleine Firmen, große Herausforderungen
Die betriebsärztliche Corona-Immunisierung von Belegschaften hat am Montag teils einen holprigen Start hingelegt. Stolpersteine sind mitunter fehlende Internetzugänge für das Impfmonitoring – und die Abrechnungen.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Der Startschuss ist gefallen: Seit diesem Montag dürfen auch Betriebsärzte in Unternehmen Belegschaften gegen Corona vakzinieren. Während im Rahmen von Modellprojekten teilweise bereits seit März vor allem größere Unternehmen wie zum Beispiel Volkswagen am Standort Zwickau oder BASF am Hauptsitz in Ludwigshafen Tausenden Mitarbeitern die Corona-Schutzimpfung anbieten konnten, können Betriebsärzte seit 7. Juni nun in allen Unternehmen ihre Impfdienste offerieren.
Während größere Unternehmen sich quasi generalstabsmäßig auf die Vakzinierung ihrer Belegschaften vorbereiten können, sieht das gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ganz anders aus.
So berichtet die in Gera niedergelassene Betriebsärztin Silke Kretzschmar, die als Vorsitzende des Bundesverbandes selbstständiger Arbeitsmediziner und freiberuflicher Betriebsärzte (BsAfB) fungiert, im Gespräch mit der „ÄrzteZeitung“, dass gerade das Impfen in KMU eine große Herausforderung auch in logistischer Hinsicht darstellt. „Ich bin Einzelkämpferin und muss verschiedene Interessen abwägen“, so Kretzschmar.
Am Montag habe sie die für jeden Betriebsarzt zugeteilten 102 Impfdosen für die gesamte Woche bekommen. Nun muss sie mit Bedacht disponieren. „Was ich in der Kühltasche im Außendienst in die Firmen mitnehme, muss an diesem Tag verimpft werden. Da es aber durchaus Nebenwirkungen nach der Schutzimpfung gibt, kann ich auch nicht die gesamte Belegschaft an einem Tag impfen, da sonst schlimmstenfalls der Betrieb stillstehen würde, wenn alle Impflinge wegen Nebenwirkungen krank werden“, gibt sie Einblick in ihr Impfmanagement.
Nur eine Zusatzaufgabe
Dann kann es noch zu Unwägbarkeiten vor Ort kommen. „Nicht überall in den KMU gibt es WLAN oder Hotspots, sodass ich teils auch überlegen muss, wie ich das notwendige Impfmonitoring bewältigen kann“, so Kretzschmar.
Wichtig ist ihr auch, den Unterschied zu angestellten Werksärzten hervorzuheben: „Diese können sich, wenn notwendig, jeden Tag nur auf die Corona-Schutzimpfung konzentrieren. Für mich ist das mit einer Honorierung von 20 Euro als niedergelassene Betriebsärztin mit Personal nur eine Zusatzaufgabe zum arbeitsmedizinischen Versorgungsalltag wie zum Beispiel Gefährdungsbeurteilungen.“
Honorarvereinbarungen als Option
Dr. Wolfgang Panter, Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW), rät den niedergelassenen Betriebsärzten dazu, mit KMU, die ihre Belegschaften impfen lassen möchten, eine Vereinbarung über die aufsuchende Impfung inklusive Impforganisation auf Stundenbasis zu treffen, die sich an einem Stundenhonorar von beispielsweise 130 Euro orientieren könne.
„Das sieht die Impfverordnung ausdrücklich vor. Dann dürfen die Betriebsärzte aber die Impfung selbst nicht mehr über die KV abrechnen“, so Panter auf Nachfrage. Laut Panter haben sich 6300 Betriebsärzte gemeldet, die bei der Corona-Vakzinierung in Firmen mitmachen möchten.
Noch gar nicht loslegen mit den Corona-Schutzimpfungen in Betrieben konnte am Montag die aus dem Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienst hervorgegangene BAD-Gruppe. Wie es auf Anfrage hieß, würden die Vakzine erst am Montagabend erwartet und müssten dann an die Standorte verteilt werden, sodass die ersten Spritzen am Dienstag gesetzt werden könnten.
Die ias-Gruppe, die ebenfalls bundesweit betriebsmedizinische Dienste anbietet, hätte gerne früher losgelegt als es nun möglich war. „Als Betriebsärztlicher Dienst haben wir völlig andere logistische Rahmenbedingungen und Abläufe als zum Beispiel Hausärzte. Deshalb hätten wir uns eine deutlich frühere Einbindung gewünscht, damit dieser wichtige Schritt der Impfungen in den Betrieben noch besser geplant und vorbereitet werden kann“, verdeutlicht Dr. Alexandra Schröder-Wrusch, Vorsitzende des Vorstands der ias AG. Die Kundenresonanz sei durchweg positiv, das Interesse an einer sofortigen Durchimpfung der jeweiligen Belegschaft riesengroß, so die Fachärztin für Arbeitsmedizin.
„Problem bleibt der knappe Impfstoff“
Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) ist mit der gleichzeitigen Aufgabe der Impfpriorisierung und dem Start der Vakzinierung in den Betrieben nicht sehr glücklich. „Das Problem bleibt der knappe Impfstoff“, sagte DGAUM-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Nesseler am Montag im Gespräch mit der „ÄrzteZeitung“.
Bereits vor Wochen hat die DGAUM in Stellungnahmen 1,5 Millionen Impfdosen pro Woche für Betriebsärzte gefordert, um der Pandemie effektiv begegnen zu können. Laut Nesseler deute sich aber an, dass die Menge des verfügbaren Impfstoffs für Betriebsärzte auf eine halbe Million je Woche sinken werde. Zudem werde nun die Konkurrenzsituation zwischen Impfzentren, Privatärzten, Pädiatern sowie Arbeitsmedizinern verschärft. Ebenfalls ein Dorn im Auge sei die Abrechnung der im betriebsmedizinischen Kontext erfolgten Corona-Impfungen über die KVen. „Wir sind sehr skeptisch, dass das reibungslos klappt“, so Nesseler.