Transplantationsskandal
Chirurg soll 1,2 Millionen Euro Haftentschädigung erhalten
Der Göttinger Chirurg, der in den Transplantationsskandal verwickelt war, hat Anspruch auf Haftentschädigung. Es geht um knapp 1,2 Millionen Euro.
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Der Transplantationschirurg und sein Verteidiger: Der später in weiteren Instanzen bestätigte Freispruch vor dem Landgericht Göttingen wurde zum Ausgangspunkt für ein Verfahren auf Haftentschädigung.
© Swen Pförtner / dpa
Braunschweig/Göttingen. Das Land Niedersachsen muss dem in den Göttinger Transplantationsskandal verwickelten Chirurgen eine Haftentschädigung von knapp 1,2 Millionen Euro zahlen. Das entschied am Mittwoch das Oberlandesgericht Braunschweig.
Der 11. Zivilsenat bestätigt damit im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Braunschweig. Dieses hatte im September 2019 einer Klage des früheren Leiters der Transplantationschirurgie am Göttinger Uniklinikum weitgehend stattgegeben und das Land Niedersachsen zur Zahlung von 1.167.899,19 Euro verurteilt. Dagegen hatte das Land Berufung eingelegt, das OLG hielt diese jedoch für unbegründet.
Der Senat habe keine Revision zugelassen, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Der heute 53 Jahre alte Arzt hatte 2013 rund elf Monate in Untersuchungshaft verbracht. Später wurde der Haftbefehl gegen 500.000 Euro Kaution außer Vollzug gesetzt.
Strafprozess endete mit Freispruch
Die Staatsanwaltschaft hatte ihn damals vor dem Landgericht Göttingen wegen elffachen versuchten Totschlags und dreifacher Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Der Strafprozess endete im Mai 2015 mit einem Freispruch.
Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass der Chirurg medizinische Daten manipuliert habe, damit eigene Patienten schneller ein Spenderorgan bekamen. Dies sei zwar moralisch verwerflich, zu dem Zeitpunkt aber nicht strafbar gewesen. Der Bundesgerichtshof bestätigte später den Freispruch.
Das Landgericht hatte in seinem Urteil zugleich festgestellt, dass der freigesprochene Mediziner wegen der erlittenen Untersuchungshaft Anspruch auf Haftentschädigung habe. Das Land Niedersachsen zahlte dem früheren Oberarzt daraufhin 8500 Euro.
Fest zugesagte Stelle in Jordanien ging flöten
Der Chirurg begründet seine deutlich höhere Forderung damit, dass er aufgrund der Haft eine ihm zugesagte Stelle in Jordanien mit einem Monatsgehalt von 50.000 US-Dollar nicht habe antreten können. Der ärztliche Leiter der Klinik in Jordanien hatte dies als Zeuge vor dem Landgericht Braunschweig bestätigt.Dieser Posten machte mit rund 1,1 Millionen Euro den größten Teil der Klage aus.
Der Arzt hatte zudem geltend gemacht, dass sein Bruder damals für die Bereitstellung der Kaution ein Darlehen aufgenommen habe, für das rund 80.000 Euro Zinsen zu zahlen seien. Das Oberlandesgericht hielt beide Forderungen für berechtigt.
Der Senat habe die Beweisaufnahme nicht wiederholen müssen, weil das Berufungsgericht grundsätzlich an die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden sei, wenn keine Fehler in der Beweiswürdigung vorlägen. Dies sei hier der Fall, erklärte eine Gerichtssprecherin.
Der Arzt müsse sich lediglich ersparte Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung während der Untersuchungshaft in Höhe von 3400 Euro anrechnen lassen.
Oberlandesgericht Braunschweig, Az.: 11 U 149/19