Praxismanagement

Corona-Impfschwänzer: Vertragsärzte dürfen kein Ausfallhonorar erheben

Versäumte COVID-Impftermine sollten unbedingt dokumentiert werden. Ansonsten stehen Praxisinhaber bei Regressforderungen im Regen. Aber können Ärzte von ihren Patienten ein Ausfallhonorar verlangen?

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Vereinbart aber nicht erschienen? Das passiert derzeit offenbar immer häufiger.

Vereinbart aber nicht erschienen? Das passiert derzeit offenbar immer häufiger.

© studio v-zwoelf - stock.adobe.com

Berlin. Patienten, die einem Termin zur Corona-Zweitimpfung unentschuldigt fernbleiben, sorgen für Verärgerung in den Praxen. Mit seiner Forderung nach Strafen für „Impfschwänzer“ dürfte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einen Nerv unter Niedergelassenen getroffen haben. Allerdings: Etwaige Strafen zu verhängen, ist Sache des Gesetzgebers. Eigeninitiativ ein Ausfallhonorar von Patienten zu verlangen, ist keine gute Idee, wie der Berliner Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Professor Martin Stellpflug auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ verdeutlicht.

Das gilt insbesondere bei Kassenpatienten, von denen Vertragsärzte überhaupt nur ausnahmsweise eine Zahlung verlangen dürfen. Tun sie es dennoch – und auch so etwas wie eine Ausfallgebühr oder ein Bußgeld würden einen solchen Verstoß gegen das Sachleistungsprinzip darstellen – verletzen sie „ihre vertragsärztlichen Pflichten“, wie es in Paragraf 18 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) heißt. In der Folge, so Stellpflug, hätten sie mindestens ein disziplinarrechtliches Verfahren zu befürchten.

Spielraum nur bei PKV-Patienten

Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip können Kassenärzte gemäß § 18 BMV-Ä nur machen,

  • wenn der Patient Kostenerstattung gewählt hat,
  • wenn er keine Versichertenkarte vorlegt,
  • wenn er ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden,
  • oder wenn ein IGeL-Vertrag geschlossen wurde. Alles Konstellationen, die in aller Regel nicht mit einem unentschuldigt versäumten Corona-Impftermin assoziiert sind.

Etwas anders sieht die Sache bei Privatpatienten aus, so der Berliner Medizinrechtler weiter. Um bei dieser Klientel ein Ausfallhonorar zu erheben, muss ein solches aber vorab, idealerweise schriftlich, vereinbart worden sein. Und es muss tatsächlich auch ein Schaden eingetreten sein. „Das dürfte typischerweise nur in reinen Bestellpraxen der Fall sein.“ Ansonsten sei es alltägliche Routine, dass das Wartezimmer voll ist und durch einen Terminausfall kein Leerlauf entsteht, der mit Umsatzverlust einhergeht.

Terminausfall dokumentieren!

Stellpflug weist anlässlich der sich häufenden Meldungen über Terminschwänzer aber noch auf ein weiteres aktuelles Risiko für Praxisinhaber hin: Die Krankenkassen könnten auf die Idee kommen, für verworfene Impfstoff-Chargen Regressansprüche zu erheben.

Deshalb sei es jetzt wichtig, im Rahmen der Praxisorganisation rund um die Corona-Prävention zu dokumentieren, wann welche Patienten vereinbarte Termine nicht wahrgenommen hätten und inwieweit dadurch Impfstoffverwurf entstanden sei. Stellpflug: „Nur wenn ein Vertragsarzt das konkret nachweisen kann, ist er auf der sicheren Seite.“

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Kommentare
Christoph Winnat 14.07.202114:34 Uhr

Zu diesem Text erreichte die Redaktion ein Leserbrief des Freiburger Rechtsanwaltes Dr. Rolf Jungbecker:

"Auch der Paragraf 18 Bundesmantelvertrag Ärzte verbietet dem Vertragsarzt keineswegs, mit seinem Patienten eine Ausfallgebühr für einen versäumten Termin zu vereinbaren.
Der § 18 will nur verhindern, dass der Vertragsarzt den Kassenpatienten zur Annahme einer privatärztlichen Leistung mit entsprechender privater Vergütung überredet, obwohl der die Leistung als Sachleistung verlangen kann. Die Ausfallgebühr ist aber etwas gänzlich anderes als eine (privatärztliche) Vergütung. Sie ist schlichtweg Schadenersatz (den der Vertragsarzt ebenso wie der Privatarzt ggf. sogar ohne eine ausdrückliche Vereinbarung nach §§ 611, 615 BGB verlangen kann, vgl. LG Bielefeld Urteil v. 10.02.2017 Az 411 C 3/17).
Wollte § 18 tatsächlich dem Vertragsarzt die Vereinbarung einer Ausfallgebühr verbieten, dann liefe das auf eine unannehmbare Diskriminierung der Vertragsärzte hinaus, wenn diese deshalb – anders als die Privatärzte - ihren durch die Terminsäumnis entstandenen wirtschaftlichen Schaden selbst tragen müssten - zumal die Kassen diesen Schaden nicht ausgleichen. Ein solches Verbot (nur) für Vertragsärzte wäre verfassungswidrig.
Selbstverständlich muss eine entsprechende Vereinbarung rechtlich korrekt getroffen sein (s.o. LG Bielefeld). Maßgebend ist hier aber allein die Privatautonomie, und die ist auch für den Kassenpatienten grundrechtlich geschützt. Das Vertragsarztrecht ändert daran nichts."

Angelika Donath 06.07.202111:22 Uhr

Ausfallhonorar für Impfschwänzer ? Natürlich ! Vorallem um die lieben Mitmenschen wieder mal ein bischen zu erziehen, es schleift so schon überall die Disziplin !
Wenn dann nicht einmal ein gebuchter Termin abgesagt wird und halt jeder macht was er will ...
So macht sich immer mehr der Schlendrian breit und davon haben wir wahrlich genug in unserer Gesellschaft.
Eine schöne Restwoche noch allen Lesern :-))

Dr. Helge Scheibe 06.07.202107:09 Uhr

Ich habe glücklicherweise bis zu meiner Pensionierung mehr als 10 Jahre in der Schweiz in einer großen Gemeinschaftspraxis arbeiten können. Eine KV gibt es dort nicht. Auch diese Vielzahl der Funktionäre mit Pöstchen und Funktionen gibt es nicht! Selbst eine Ärzteversorgung wie in Deutschland gibt es nicht. Die privaten Pensionskassen arbeiten offensichtlich wirtschaftlicher. Ich bekomme für meine Zeit in der Schweiz mehr Pension als für ca. 30 Jahre Arbeit in Deutschland! Es wird direkt entweder mit dem Patienten oder dem Leistungsträger abgerechnet und jedem Patienten steht eine Kopie der abgerechneten Ziffern zu. Die Zahl der Abrechnungsziffern ist überschaubar und in der gesamten Zeit habe ich nur eine einzige Änderung der Abrechnungsziffern erlebt. All das senkt enorm die Unkosten! Die Abrechnung erfolgt im Wesentlichen nach der aufgewandten Zeit. Bei Nichterscheinen des Patienten ist es dem Arzt durchaus möglich, die Ausfallzeit bei Bedarf in Rechnung zu stellen, denn der Pat bucht ja bei seiner Anmeldung ein Zeitfenster. Es herrscht dadurch Disziplin und Transparenz, und beide beteiligten Parteien wissen woran sie sind. Hochakute Notfälle, die den Betrieb aufhalten, werden so ohne große Diskussionen auch toleriert. Ein eben die Konsultation Unterbrechen für eine Unterschrift oder ein kurzes Telefonat gibt es nicht, denn der Pat hat ja diese Konsultationszeit quasi gekauft und bezahlt sie auch. Alles andere wird zwischen den Konsultationen erledigt. So werden Wartezeiten minimiert, und der Tagesablauf bleibt strukturiert. Nur durch eine grundlegende Reform, bei der kein Stein auf dem anderen bleibt, kann es in Deutschland besser werden. Ich habe es abgeleht, nach diesen Erfahrungen in der Schweiz, jemals wieder in Deutschland zu arbeiten und mit meiner Hände Arbeit als quasi Knecht für Politiker, Ärztefunktionäre, Krankenkassen und z.T. unverschämte Patienten herzuhalten.

Dr. Friedrich H. Methfessel 06.07.202106:42 Uhr

Was haben die Krankenkassen damit zu tun? Die können doch keine Regressansprüche geltend machen, für etwas, das sie gar nicht bezahlen:
„ Die Kosten für den Impfstoff übernimmt der Bund……….. Auch die Vergütung für Impfungen in Arztpraxen trägt der Bund.“

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