Kostenlose Therapie

Das mag der Fiskus gar nicht

Ärzte, die für ihre Patienten Leistungen umsonst erbringen, weil sie nicht Teil des GKV-Katalogs sind, müssen aufpassen: Mit diesem Vorgehen verstoßen sie nicht nur gegen die Abrechnungsregeln. Sie können auch Ärger mit dem Fiskus bekommen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Keine GKV-Leistung? Dann müssen Ärzte Patienten Injektionen privat in Rechnung stellen - sonst macht der Fiskus Stress.

Keine GKV-Leistung? Dann müssen Ärzte Patienten Injektionen privat in Rechnung stellen - sonst macht der Fiskus Stress.

© DIA / fotolia.com

KÖLN. Ljudmila Bohr aus dem westfälischen Beckum ist Allgemeinmedizinerin mit der Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren. Sie hat gute Erfahrungen mit einem Komplex-Homöopathikum bei der Neuraltherapie gemacht.

Die Leistung wird - mit ganz wenigen Ausnahmen - von den gesetzlichen Kassen aber nicht erstattet. Da Bohr die Gabe des Homöopathikums in manchen Fällen jedoch nach wie vor für die beste Therapie hält, etwa wenn Jugendliche akute Schmerzen haben, spritzt sie es den Patienten weiter.

Die Leistung stellt sie nicht in Rechnung. "Ich verlange in einer solchen Situation von meinen Patienten kein Geld." Schließlich gehe es nicht um hohe Summen, betont die Ärztin. Viele ihrer Patienten hätten zudem nicht die finanziellen Mittel, um die Behandlung selbst zu bezahlen.

Da sie von den Vorteilen des homöopathischen Mittels überzeugt ist, will sie es den Patienten nicht vorenthalten.

"Es ist mir peinlich, zu meinen Patienten zu sagen: Bitte bezahl mich dafür." Ungeheuerlich findet es Bohr deshalb, dass das Finanzamt ihr unterstellt, die Leistungen sehr wohl abgerechnet, aber die Einnahmen nicht versteuert zu haben.

Bei einer Betriebsprüfung hatten die Finanzbeamten festgestellt, dass die Hausärztin 100 Ampullen des Komplex-Homöopathikums im Jahr 2009 gekauft hatte und im Jahr darauf 200 Ampullen.

Nicht immer nur ans Geld denken

"Sie haben mir vorgeworfen, dass ich das Geld für die Behandlung in die eigene Tasche gesteckt habe", berichtet sie. Ihrer Beteuerung, das Mittel kostenlos abgegeben zu haben, glaubte man nicht.

Das ist nach Einschätzung des Kölner Medizinrechtlers Uwe Hohmann nicht verwunderlich. "Die Steuerprüfer sehen die Kaufbelege über den Einkauf der Mittel, aber keine Abrechnung über die Verordnung."

Da sie wissen, dass Ärzte von Einzelfällen abgesehen ihre Leistungen über den EBM oder die GOÄ abrechnen müssen, wurden sie stutzig.

Für die Ärztin gibt es laut Hohmann nur eine Lösung: Sie muss den Patienten sowohl das Komplex-Homöopathikum als auch die Injektion in Rechnung stellen. Das findet Allgemeinärztin Bohr mehr als unbefriedigend.

"Ich habe schließlich den hippokratischen Eid geleistet und kann nicht immer ans Geld denken". Die Problematik sieht sie als weiteren Beleg dafür, dass die Hausärzte in ihrem Einsatz für die Patienten viel zu wenig Unterstützung finden.

"Es gibt keine Gesetze, die Ärzte schützen", beklagt Bohr. Die Anforderungen würden dagegen immer schärfer, was etwa das Haftungs- und Berufsrecht betreffe.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 05.05.201315:08 Uhr

@ Kollege Lütgemeier: "Nur die ganz besonders Harten kommen in den Garten"?

Oder, wie es der Kollege Ludger Stratmann im WDR3 formuliert: "Nur die Hatten komm'' in Gatten!"

In der Tat halte ich es auch für "unglaublich" und unglaubwürdig, wie sie über die Kollegin Ljudmila Bohr herziehen, die immerhin den Mut hatte, ihre Probleme mit dem Fiskus und den Extra-Honoraren für "Kassenpatienten" überhaupt anzusprechen. Und dass Frau Schlingensiepen dies journalistisch aufgegriffen hat.
Und wenn Sie jetzt noch die Güte hätten, in ihren eigenen und andere PKV-Krankenversicherungsverträge hineinzuschauen, würden Sie feststellen, dass Behandlungs-Honorare für die eigene ärztliche Mitbehandlung bei Familienangehörigen in d i r e k t e r Verwandschaftslinie grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Zur Not könnten Sie sich ja auch noch bei Ihrer Ärztekammer beschweren, dass für Sie die häufig praktizierte, interkollegial-kostenlose Behandlung unter Kolleginnen und Kollegen ein "unlauterer Bärendienst" sei?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Michael D. Lütgemeier 04.05.201312:27 Uhr

ES IST UNGLAUBLICH !!!

Jawohl, es ist unglaublich daß diese Ärztin "umsonst" behandelt und auch noch wagt zu posten es sei ihr peinlich, ein Honorar zu nehmen. Solche Ärzte müssen bestraft werden durch das Berufsrecht. Verdammt nochmal, wo sind wir gelandet? Eine Leistung hat ihren Preis und da haben Gefühlsduseleien KEINEN !!! Platz. Soll sie das Honorar nehmen und spenden oder sonstwas damit tun. Ich fühle mich ins Kreuz getreten und mir in den Rücken gefallen, weil ich darauf angewiesen bin, für Honorar zu arbeiten. Diese Kollegin sollte sich schämen und umdenken- ihr ist offenbar gar nicht klar, welchen Bärendienst sie der ganzen Ärzteschaft erweist. Das hat auch mit Hippokrates überhaupt GAR NICHTS zu tun, das ist einfach nur unlauter.

Rudolf Hege 02.05.201313:55 Uhr

Schlimm genug...

Es ist schlimm genug, dass Finanzbeamte es sich offensichtlich nicht vorstellen können, dass jemand tatsächlich auf persönliche finanzielle Vorteile verzichtet. Allerdings würde man das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man als "Lösung" nun den Verzicht auf "Gutmüdigkeit" vorschlägt. Wir alle sind froh, wenn uns mal jemand aus Gutmüdigkeit etwas Gutes tut, sei es auf eine berechtigte Forderung zu verzichten oder doch noch einen Termin zu vereinbaren, wenn es gerade brennt.

Wie heißt es doch so treffend: Lass Dich nicht verhärten in dieser harten Welt oder um es mit Laotse zu sagen: "Das Harte und Starre begleitet den Tod.
Das Weiche und Schwache begleitet das Leben."

Und im vorliegende Fall gibt es eine einfache Lösung: Man lasse sich von den betroffenen Patienten einfach unterschreiben, dass sie die Leistung kostenlos erhalten haben, als Teil des Service der Praxis.

Dr. Thomas Georg Schätzler 02.05.201310:49 Uhr

"Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihr Finanzamt oder Ihren Steuerberater"

Danke, Frau Schlingensiepen, dass Sie dieses Thema aufgreifen. Denn ich habe bisher noch nie z. B. von einer Betriebsprüfung bei einem Lobbyisten des Deutschen Bundestags gehört, dass dieser viel zu viel teures Essen eingekauft hätte, weil er doch nur wenige, entscheidende Bundestagsabgeordnete zum Essen einladen müsste, um effektiven Einfluss zu nehmen. Oder von Betriebsprüfungen bei Autowerkstätten, die (natürlich nur für die Lagerhaltung!) wesentlich mehr Ersatzteile eingekauft als in reparierte Autos tatsächlich verbaut haben.

Doch wenn Kollegin Ljudmila Bohr sagt: "Es gibt keine Gesetze, die Ärzte schützen", ist das nur die eine Hälfte der Wahrheit. Auf der anderen Seite werden gezielt und pauschal Ärzte unter den Generalverdacht der Korruption und des Steuerbetrugs gestellt, weil es gegen sie wie gegenüber anderen Selbstständigen zu Bestechung und Bestechlichkeit bzw. Honorarverzicht noch k e i n e ausreichende gesetzliche Handhabe gibt.

Ein Fall in meiner eigenen Praxis gibt mir zu denken: In eine überfüllte Vormittags-Sprechstunde platzte vor ein paar Jahren ein mir völlig Unbekannter mit einer offensichtlichen paranoid-halluzinatorischen Psychose. Denn er forderte mich ultimativ auf, ihn auf der Stelle von diesen "Strahlungen" und "Radiowellen" zu befreien, die mit ihren "Befehlen" sein Leben zur Hölle machten. Nachdem mein kurzer diagnostischer Prozess abgeschlossen war und ich mich weiter m e i n e n Patienten widmen wollte, erhielt ich unvermittelt einen Faustschlag auf Nase und Brille. Hinzukommende Polizisten realisierten den Ernst der Lage erst, als der Unbekannte begann, das Funkgerät in ihrem Streifenwagen wegen der vermaledeiten "Strahlen" ausbauen zu wollen. Dieser psychotische Patient wurde, weil völlig mittellos, in meiner Praxis kostenlos diagnostiziert und einer psychiatrischen Therapie in einer Fachklinik zugeführt. Auf Drängen der Bewährungshelfer und der Betreuer setzte er einen Brief auf, in dem er mich bat, von straf- und zivilrechtlichen Maßnahmen Abstand zu nehmen. Er bedauere zutiefst, dass er mir die Nase blutig geschlagen habe.

Und ich habe tatsächlich auf GKV-Abrechnung, Schadenersatz, Schmerzensgeld und Entschädigung für die Betriebsunterbrechung verzichtet, o h n e mein Finanzamt zu fragen!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Richard Barabasch 02.05.201310:20 Uhr

Der Fiskus mag kein Helfer-Syndrom und kassiert dafür

Ja so san''s, ja so san''s - die oalden Zöllner . . und auch: so san''s die kollegInnen mit dem Helfer-Syndrom, das durchaus hochethisch, ja sogar hoch-glaubwürdig daherkommt, aber: kein Gehör findet vor den seelenlosen Bürokraten vom Finanzamt. Sieht nach einer Posse aus, nur: wer ist der Clown bei der Geschichte ? aus wahrhaft-ärztlicher Sicht der Steuerprüfer und zwar ein Clown mit Fratzen-Maske, die nicht nur böse ist, sondern herzlos und unterstellend. Aus der Ecke der Finanzverwaltung hat die Maske mit unterstellter Scheinheiligkeit die Kollegin auf. Die Tragik indes liegt darin, dass beide nur aufrichtig ihre jeweilige Arbeit machen. Indes: es zeigt eklatant und schmerzlich bis eindeutig die brutale Konfliktlinie auf zwischen beiden Seiten - und es bleibt nur das Leid(en) des Helfer-Syndrom''s . . . . . (der Finanzbeamte tut "nur" sein Werk). Zu lernen haben ausschließlich die Kolleg-Innen, die ihre Gut-Mein-Problematik bis in diese im Realen angekommenen Zeiten hinein noch nicht "im Griff" haben, sprich: eigentherapiert haben. Schluss mit Gutmütigkeit in einer Welt, die diesen Charakterzug nicht mehr kennt !
meint
Dr. Richard Barabasch

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