Studie
Deutschlands Haus- und Fachärzte punkten im Vergleich
Die vergleichsweise hohe Arztdichte, die freie Arztwahl, die Möglichkeit des direkten Zugangs zum Facharzt und die Inanspruchnahme ohne Zuzahlungen stärken das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich zu seinen Nachbarn.
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Auch beim Ländervergleich der Gesundheitssysteme ergibt erst die Detailanalyse das Gesamtbild.
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KÖLN. Was die ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte anbelangt, steht Deutschland im Vergleich zu den Gesundheitssystemen der Schweiz und der Niederlande gut da. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP).
Der Zugang sei in Deutschland sehr gut, betont Autorin Verena Finkenstädt in dem Diskussionspapier "Die ambulante ärztliche Versorgung in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz". Sie verweist auf die vergleichsweise hohe Arztdichte, die freie Arztwahl, die Möglichkeit des direkten Zugangs zum Facharzt und die Inanspruchnahme ohne Zuzahlungen.
"Der Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung ist somit deutlich weniger reglementiert als in unseren Nachbarländern bei vergleichsweise moderaten Kosten", schreibt Finkenstädt.
Deutsche Sonderrolle
Gemeinsam sei den Krankenversicherungssystemen in den drei Ländern, dass die gesamte Bevölkerung Zugang zu einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung unabhängig von Einkommen und Gesundheitszustand hat.
Eine Sonderrolle nimmt Deutschland wegen des Nebeneinanders von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ein. In allen drei Ländern sei die Behandlung von Patienten außerhalb des öffentlichen Krankenversicherungssystems möglich, hält die WIP-Mitarbeiterin fest.
"Einen finanziellen Anreiz hierzu gibt es jedoch hauptsächlich in Deutschland aufgrund des dualen Systems mit GKV und PKV."
In der Schweiz werden Patienten ebenso wie hierzulande vor allem durch niedergelassene Haus- und Fachärzte ambulant versorgt. Davon unterscheidet sich das niederländische System, wo die Fachärzte fast ausschließlich an Krankenhäusern tätig sind und der Hausarzt in der Regel der erste Ansprechpartner ist.
In den Niederlanden haben nicht-ärztliche Mitarbeiter zudem eine größere Bedeutung in der Behandlung als in den beiden anderen Ländern, da sie häufig die erste Beratung und Behandlung übernehmen.
In den Niederlanden ist die Zahl der Hausärzte pro Einwohner am geringsten, die Mediziner sind über die Regionen aber am gleichmäßigsten verteilt. Die Wartezeiten auf einen Termin stuft Finkenstädt in keinem der drei Länder als problematisch ein. "Nach Umfragen belegt Deutschland beim zeitnahen Zugang zur hausärztlichen Versorgung jedoch den Spitzenplatz", betont sie.
Zugangshürden in der Schweiz
Zuzahlungen spielen in der ambulanten Versorgung weder in Deutschland noch den Niederlanden eine Rolle. "Für Schweizer Patienten können Zuzahlungen dagegen eine Zugangshürde darstellen, da durch die obligatorischen Selbstbehalte ein relativ hoher Anteil aus eigener Tasche finanziert werden muss."
Anhand der Daten des Statistischen Amtes der EU hat Finkenstädt auch die Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung verglichen. Basierend auf Kaufkraftstandards (KKS) - der durchschnittlichen Kaufkraft eines Euro in der EU - betrugen die Ausgaben im Jahr 2012 pro Einwohner 736 Euro in der Schweiz, 569 Euro in Deutschland und 304 Euro in den Niederlanden.
Die Werte seien aber nicht altersstandardisiert, betont sie. Da die Bevölkerung in den beiden anderen Ländern jünger ist als in Deutschland, sei davon auszugehen, dass die Gesundheitsausgaben in der Schweiz und den Niederlanden höher wären, wenn sie das deutsche Bevölkerungsprofil hätten.
"Die Ausgaben für ambulante ärztliche Leistungen in Deutschland sind mit durchschnittlich 569 Euro (KKS) pro Kopf moderat", so Finkenstädt. Das gelte vor allem unter Berücksichtigung des freien und unentgeltlichen Zugangs zu Fachärzten, der geringen Verbreitung von Hausarztmodellen, der im Vergleich höchsten Zahl von Arztkontakten und einer älteren Bevölkerung, die mehr Gesundheitsleistungen nachfragt.