Lebensversicherung
Die Folgen der Reform
Zu Monatsbeginn hat das Bundeskabinett das Gesetz zur Reform der Lebensversicherung beschlossen. Versicherungsnehmern drohen damit teilweise harsche Einschnitte, gegen die sie sich nur bedingt wehren können.
Veröffentlicht:KÖLN. Die anhaltende Niedrigzinspolitik lässt die Assekuranzen schon seit Längerem stöhnen. Mit der Reform der Lebensversicherung soll der Druck des billigen Geldes von ihnen genommen werden, der es ihnen immer schwerer macht, die teils umfangreichen Garantien zu erfüllen, die sie ihren Kunden gegeben haben.
Künftig müssen die Unternehmen Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr so stark an den Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere beteiligen. Die Reserven entstehen zum Beispiel, wenn Staatsanleihen im Bestand eines Versicherers mehr wert sind als zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie gekauft hat.
Höhere Risiko-Beteiligung
Da die Zinsen etwa für sichere Bundesanleihen momentan niedrig sind, sind die Bewertungsreserven hoch. Im vergangenen Jahr haben die Versicherer rund drei Milliarden Euro aus diesem Topf an Kunden ausgezahlt, deren Verträge ausgelaufen sind oder die gekündigt haben.
Künftig wird die Beteiligung an den Bewertungsreserven auf den Teil beschränkt, der den sogenannten Sicherungsbedarf übersteigt. Das ist der Betrag, der erforderlich ist, um die Finanzierung der vereinbarten Garantien auch in einer längerfristigen Niedrigzinsphase sicherzustellen.
Im Gegenzug muss die Versicherungsbranche ihre Kunden stärker an den sogenannten Risikogewinnen beteiligen. Sie entstehen, wenn zum Beispiel in der Rentenversicherung mehr Kunden frühzeitig sterben, als der Versicherer kalkuliert hat, er also weniger Rente zahlen muss.
Bisher standen den Kunden 75 Prozent der Risikogewinne zu, künftig sollen es 90 Prozent sein. Das ist aber nur ein schwacher Trost, glaubt Versicherungsberater Thorsten Rudnik. "Das kann die geringere Beteiligung an den Bewertungsreserven nicht kompensieren".
Die Zugewinne der Kunden durch die erhöhte Beteiligung an den Risikogewinnen bewegten sich in der Regel nur im Cent-Bereich. Der verringerte Anteil an den Bewertungsreserven kann dagegen vor allem bei Verträgen, die kurz vor der Auszahlung stehen, einen Verlust von mehreren Tausend Euro ausmachen.
Eine Ausstiegsoption gibt es
Die Krux: Jetzt den Vertrag zu kündigen, um die Bewertungsreserven noch in voller Höhe mitzunehmen, ist meist nicht mehr möglich. Denn das Reformgesetz, das nur noch Bundestag und -rat passieren muss, wird voraussichtlich schon im Juli in Kraft treten.
Lebensversicherungen, bei denen die Kunden die Beiträge monatlich zahlen, sind zum Ende des Folgemonats kündbar. Eine Kündigung im Juni würde also erst Ende Juli wirksam.
Ein Schlupfloch besteht nach Rudniks Ansicht für kündigungswillige Kunden aber doch. Laut Urteil des Bundesgerichtshofs vom Mai dieses Jahres (Az: IV ZR 76/11) können Versicherte, die ihre Police zwischen 1995 und 2007 abgeschlossen haben, von ihrem Vertrag zurücktreten, wenn sie beim Kauf nicht ausreichend über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sind.
Das ist nach Rudniks Ansicht oft der Fall. So seien die Informationen über Rücktrittsrechte in den Schreiben der Versicherer meist tief im Kleingedruckten versteckt.
Hat ein Widerspruch Erfolg, wird der Kunde so gestellt, als habe er den Vertrag nie geschlossen. Er bekommt die eingezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen und abzüglich eines Risikoanteils wieder. "Bei den Verträgen, die ich bisher gesehen habe, war diese Summe immer höher als der Rückkaufswert inklusive Bewertungsreserven, den der Versicherer bei einer Kündigung auszahlt", so Rudnik.
Das Reformpaket der Versicherer enthält aber noch andere Wermutstropfen: So soll der Garantiezins für Neuverträge Anfang 2015 Jahres von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent sinken. Das ist angesichts des Zinsumfelds nachvollziehbar. Der Attraktivität der Police tut es trotzdem Abbruch.
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