Hygienemängel
Die Gefahrenquellen in Kliniken
Nosokomiale Infektionen gehören zum Alltag in den Krankenhäusern. Die Ursachen sind breit gestreut. Hygieniker schlagen Alarm.
Veröffentlicht:BERLIN. Personalmangel, fehlende Flächendesinfektion, aber auch Mängel im Management von Krankenhäusern beeinträchtigen die Hygiene auf den Klinikstationen. Hinzu tritt ein nach wie vor ausgeprägter Mangel an Fachärzten für Hygiene im Deutschen Gesundheitswesen.
Darauf haben Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) im Vorfeld des 13. Kongresses für Krankenhaushygiene ab Sonntag in Berlin hingewiesen. Bereits am Dienstag hatte der Deutsche Ethikrat eine Aufstockung des Krankenhauspersonals gefordert, um dem Patientenwohl gerechter zu werden.
Ausmaß und Auswirkungen nosokomialer Infektionen tauchen in den Abrechnungen der Krankenhäuser nicht auf. Selbst die Fachleute bleiben daher auf Schätzungen angewiesen.
Professor Martin Exner, Präsident der DGKH, gibt die Zahl der Krankenhausinfektionen mit 700.000 bis eine Million an. Rund fünf Prozent der stationären Patienten seien betroffen. Bis zu 30.000 Todesfälle seien darauf zurückzuführen.
Herausforderung Sepsisrate
Die Alterung der Gesellschaft, aber auch der medizinische Fortschritt eröffnen mit zunehmenden Sepsisraten eine weitere Front für die Krankenhaushygieniker. Das betrifft auch den ambulanten Sektor.
Vor allem die ambulant erworbenen Lungenentzündungen könnten schon bis zu 25.000 Todesopfer im Jahr fordern, schätzen die DGKH-Vertreter. Eine im Dezember im Deutschen Ärzteblatt erschienene Studie berichtet von einem Anstieg der Fallzahlen von rund 200.000 im Jahr 2007 auf rund 280.000 im Jahr 2013.
Fast 68.000 Menschen starben demnach 2013 an einer Sepsis. Die Ursachen liegen zum Beispiel in der wachsenden Zahl älterer Patienten, in Therapien, die Immunrisiken bergen, und in genauerer Dokumentation septischer Ereignisse.
Fünf Beispiele, wo sich Personalmangel und fehlende Expertise auf das Infektionsgeschehen auswirken.
Das Lastenheft ist gut gefüllt
Beispiel Hochrisikokinder. Früher starben Frühchen, heute können selbst 450 Gramm leichte Kinder überleben. Hier fordert die DGKH eine eins zu eins Besetzung, wie sie der Gemeinsame Bundesausschuss eigentlich für Früchchenstationen vorgegeben hat. "Das Risiko der schweren Erkrankungen , die durch Fehler in der Infektionsprävention entstehen, ist so gravierend, dass das gerechtfertigt ist", sagte Exner.
Beispiel Hausreinigung. Flächendesinfektionen waren in der Vergangenheit in den Hintergrund der Hygienedebatte geraten. Hier fordert Exner ein Umdenken. "Wir müssen wieder hellhöriger werden und uns mit den klassischen Kriterien wieder auseinandersetzen", sagte Exner.
Desinfektionsmittel kosteten nicht mehr als Seife. Ihr Einsatz benötige auch nicht mehr Zeit, ergänzte Professor Heike Martiny von der DGKH. Handläufe und Flächen in den Krankenzimmern müssten mindestens einmal am Tag desinfiziert werden.
Beispiel Zimmerbelegung. Der Patient müsse wissen, dass er nicht mit Erregern des Vorbewohners eines Krankenzimmers in Kontakt kommen könne, betonten die DGKH-Vertreter. Es sei aber nicht selbstverständlich, dass Patienten in ein nach den Regeln der Kunst aufgearbeitetes Bett einschließlich frisch desinfizierter Matratze gelegt würden. Krankenhauspersonal berichte, dass an Wochenenden oft nur noch Sichtreinigungen zwischen zwei Belegungen durchgeführt würden.
Wird hier an der falschen Stelle gespart? Die Krankenhaushygieniker finden ja. Prävention und Investition in die Hygiene könnten die Erlöse aus den Fallpauschalen erhöhen.
Eine Infektion mit dem immer aggressiver auftretenden Chlostridium difficile koste ein Krankenhaus rund 10.000 Euro. Damit rutsche der Deckungsbetrag ins Minus, rechneten die DGKH-Vertreter vor.
Beispiel Patientenschulung. Um Risiken zu verringern, fordern die DGKH-Vertreter auch Patientenschulungen. Im Blick haben sie dabei zum Beispiel die Angehörigen Pflegebedürftiger.
"Ein Grundwissen über aseptisches Vorgehen ist nicht vorhanden", stellte Professor Martiny dazu fest. Auch auf den Stationen selbst könnten die Patienten besser aufgeklärt werden, um die Zahl der nosokomialen Infektionen zu senken.
Beispiel Ausbildung. Hier gibt es Nachholbedarf. Es könne nicht sein, dass selbst gestandene Ärzte und Schwestern Nachschulungsbedarf in der Händehygiene hätten, sagte Exner. Dies müsse zwingend Bestandteil der Grundausbildung, also des Studiums sein. Es sei ein Mangel, dass klassische Hygienelehrstühle geschlossen worden seien.