Mehr Kontrollen in Kliniken
Die Lehren aus dem Fall Niels H.
Niedersachsen will Konsequenzen aus der Mordserie des einstigen Krankenpflegers Niels H. ziehen: Das Controlling der Medikamenten-Abgabe soll verbessert, ein Whistleblower- System installiert werden.
Veröffentlicht:HANNOVER. Whistleblower, Mortalitätskonferenzen und Sektionen: Niedersachsen will mit einem umfangreichen Programm die Patientensicherheit in den Krankenhäusern des Landes erhöhen.
Hintergrund der Pläne sind die Taten des ehemaligen Krankenpflegers Niels H., der im Klinikum Delmenhorst Patienten getötet hat. Er war Ende Februar zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden.
Es fehle an einem Risikobewusstsein mit Blick auf kriminelles Handeln, sagte Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD). Ein Maßnahmenpaket soll nun Abhilfe schaffen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) solle die Prävention kriminellen Handelns in Kliniken in seine neue Richtlinie zum Risikomanagement aufnehmen.
Erlass weitet Informationspflicht aus
Künftig soll darüber hinaus die so genannte Mitteilung in Strafsachen (MiStrA) auch auf Pflegende in Krankenhäusern ausgedehnt werden. Bisher können Gerichte oder Staatsanwaltschaften ihnen im Zweifel nicht die Berufserlaubnis entziehen.
"Deshalb hat das niedersächsische Justizministerium einen Erlass gefertigt, der die Nr. 26 MiStrA auf den Personenkreis der Krankenpflegerinnen und -pfleger erweitert", hieß es.
Wer Ersatzdokumente für seine Berufsurkunde braucht, benötigt dazu in Niedersachsen ein erweitertes Führungszeugnis, ein ärztliches Attest sowie eine Erklärung darüber, dass die Berufserlaubnis nicht von einer anderen Behörde außerhalb Niedersachsens entzogen worden ist, wie es hieß.
Diese Regelung will Rundt nun in ganz Deutschland etablieren. So soll ausgeschlossen werden, dass sich Kriminelle aufgrund mangelnden Informationsflusses eine Berufsurkunde in einem anderen Bundesland besorgen können.
Künftig müsse für den Arzt ein schneller Abgleich möglich sein, welche Medikamente auf Station patientenbezogen verschrieben wurden und welche bestellt werden, forderte die Ministerin. Differenzen fielen dann schnell auf.
Im Klinikum Delmenhorst hatte Niels H. Intensivpatienten dutzende Male ein Herzmedikament gespritzt, mindestens fünf Menschen waren daraufhin gestorben. Der hohe Verbrauch des Medikamentes war in dem Krankenhaus nicht aufgefallen.
Nicht übereilt nachbestellen
Das übereilte Abzeichnen von Bestellanforderungen müsse nun verhindert werden, so Rundt. "Die Apothekerkammer hat ebenso wie die Ärztekammer zugesagt, mit diesem Anliegen in ihre Fachgremien zu gehen und das weitere Vorgehen zurückzumelden", so das Ministerium.
Dabei gehe es auch um die Frage, ob interdisziplinäre Arzneimittelkommissionen in Krankenhäusern eingeführt werden.
Weiterhin geplant: Jedes Krankenhaus im Land soll ab 15. Juli 2015 einen ehrenamtlichen Patientenfürsprecher etablieren. Jedes Krankenhaus soll zudem ein Whistleblower-System bereithalten.
Die Meldesysteme dürften eben nicht nur auf Behandlungsfehler, sondern müssten ebenso auf kriminelles Handeln ausgerichtet sein, hieß es.
Ebenso sollen die Krankenhausärzte zu regelmäßigen Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen und Mortalitätsstatistiken verpflichtet werden, damit untypische Todesraten schneller auffallen.
Schließlich will Rundt auch prüfen, ob neben der Obduktion auch eine Sektion künftig möglich sein sollte und ob obligatorische Meldepflichten für die Leichenschau eingeführt werden sollen.
Whistleblower im Krankenhaus
Helge Engelke, Direktor der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, begrüßte die Pläne.
"Für uns ist aber immer die Frage: Was ist verpflichtend und was nicht", sagte Engelke der "Ärzte Zeitung".
Auch wenn eine Sektion der gestorbenen Patienten im Zweifel sinnvoll sei, müsse man wissen: "Mit dem Tod eines Patienten erlischt die Leistungspflicht der Krankenkassen. Wer also zahlt eine Sektion?"
Was Whistleblower im Krankenhaus angeht, sei man "ergebnisoffen", so Engelke: "Wir müssen abwarten, wie sich die existierenden Whistleblower-Systeme in Niedersachsen bewähren. Immerhin fürchten viele auch eine Misstrauenskultur auf den Stationen."
Klar ablehnend steht die Krankenhausgesellschaft indessen den Patientenfürsprechern gegenüber.
Engelke: "Wir glauben nicht, dass die Krankenhäuser überhaupt genug Ehrenamtliche finden, um die Pflicht der Fürsprecher zu erfüllen."