Berufsordnung

EU-Generalanwalt senkt den Daumen

Einem in Deutschland hin und wieder tätigen griechischen Arzt legt die Ärztekammer Hessen überhöhte Abrechnung und verbotene Werbung zur Last. Zwischenzeitlich ist der Europäische Gerichtshof gefragt - möglicherweise mit Konsequenzen auch für inländische Mediziner.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Der Europäische Gerichtshof urteilt demnächst, ob sich die hessische Berufsordnung mit Gemeinschaftsrecht verträgt.

Der Europäische Gerichtshof urteilt demnächst, ob sich die hessische Berufsordnung mit Gemeinschaftsrecht verträgt.

© EuGH

LUXEMBURG. Sind berufsrechtliche Disziplinarverfahren gegen Ärzte, die nur vorübergehend in Deutschland arbeiten, mit der innereuropäischen Dienstleistungsfreiheit vereinbar?

Auf Antrag des Berufsgerichts für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Gießen muss sich demnächst der Europäische Gerichtshof mit dieser Frage befassen.

Über den Einzelfall hinaus könnten sich daraus auch Konsequenzen für in Deutschland ansässige Ärzte sowie das Berufsrecht insgesamt ergeben.

Darauf deutet jedenfalls der Schlussantrag des spanischen Generalanwaltes Pedro Cruz Villalón hin, der Ende Januar zu dem Vorabentscheidungsersuchen des hessischen Berufsgerichts Stellung nahm.

In den meisten Fällen folgt der EuGH den Plädoyers der Generalanwälte.

Griechischer Arzt und Penis-Op

Der Fall: Der griechische Facharzt für chirurgische Urologie Dr. Kostas Konstantinides ist zeitweise in Deutschland tätig.

Er hat sich auf die Lifestyle-Indikation Induratio Penis Plastica spezialisiert und eine eigene Operationsmethode entwickelt, die er weltweit anbietet. Die Erfolgsquote beträgt 80 Prozent, die Kosten einschließlich sämtlicher Nebenkosten 18.500 Euro.

Da die GOÄ keine Abrechnungsziffer für diese Op-Leistung enthält, wurde der Preis analog einer vergleichbaren Op aus der Handchirurgie bemessen.

Nach einer Beschwerde eines mit seiner Behandlung unzufriedenen Patienten leitete die Landesärztekammer Hessen ein berufsrechtliches Verfahren gegen den Arzt ein.

Zwei Vorwürfe stehen im Raum: "überhöhte Abrechnung und unlautere Internet-Werbung", da der Grieche seine Leistungen online unter Bezeichnungen wie "Europäisches Institut für ..." oder auch "Deutsches Institut für ..." beworben hatte.

Dienstleistungsfreiheit beschränkt

Auf Initiative des Rechtsanwaltes Gerhard Fiedler, der Dr. Konstantinides vertritt, wurde das Verfahren im Herbst 2011 ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Sache sowie der gemeinschaftsrechtlichen Konformität der ärztlichen Berufsordnung Hessens gestellt.

Die Antwort des Generalanwaltes: Wenn es einem Arzt im Aufnahmestaat gestattet ist, den Preis für seine Dienstleistung selbst zu bestimmen (§ 2 GOÄ) und er sich dabei zudem an einer vergleichbaren Privat-Leistung orientiert, dann stellt der Vorwurf des Disziplinarverstoßes wegen überhöhter Abrechnung eine "beschränkende Maßnahme" der in Art. 56 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) formulierten Dienstleistungsfreiheit dar.

Noch interessanter die Ausführungen zum Werbeverbot. Hierbei nimmt der Generalanwalt nämlich unmittelbar Bezug auf den Text der hessischen Berufsordnung. Deren Maßstäbe hinsichtlich "erlaubter Information und berufswidriger Werbung" (§ 27) seien "allzu mehrdeutig und doppelsinnig formuliert".

Würden diese Forderungen zudem noch von einer "strengen Sanktionsregelung begleitet", sei damit ebenfalls eine "Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit" gegeben.

Bezogen auf die Werbeaussagen in dem konkreten Fall urteilt der spanische Jurist allerdings, dass "ein Verhalten wie das von Dr. Konstantinides kaum den für Ärzte geltenden ethischen Werbestandards entsprechen kann". Dies festzustellen ebenso wie eine verhältnismäßige Sanktion sei jedoch Sache des Berufsgerichts.

Berufsordnung verfassungswidrig?

Setzt sich die Rechtsauffassung des Generalanwalts Cruz Villalón durch, hätte dies laut Rechtsanwalt Gerhard Fiedler in der Perspektive des Gleichheitsgrundsatzes auch Folgen für Ärzte, die in Deutschland niedergelassen sind.

Wenn ein hierzulande nur vorübergehend tätiger Arzt aus einem anderen EU-Staat wegen zu hoher Abrechnung oder Verstößen gegen das Werbeverbot nicht bestraft werden kann, "muss dies im Umkehrschluss auch für deutsche Ärzte gelten".

Derzeit anhängige Diziplinarverfahren wegen ähnlicher Tatbestände müssten dann "auf den Prüfstand - wenn nicht gar allesamt eingestellt werden", ist Fiedler überzeugt.

Darüber hinaus ergäben sich aber auch "Fragen zur Verfassungsmäßigkeit vieler Landesberufsordnungen", die vergleichbar "unbestimmt gefasst" seien, wie die hessische.

Bleibe der Kammer "ein Ermessensspielraum, wann das Verhalten eines Arztes sanktioniert werden kann und wann nicht, wäre dies verfassungswidrig".

Das, so Fiedler weiter, gelte auch für Eingriffe in die Abrechnungsfreiheit nach GOÄ. Die Landesberufsordnungen müssten konkretisiert und sanktionierbare Verhaltensweisen genauer benannt werden.

Az.: C-475/11

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