Am Scheideweg

Ein Arzt gibt Tipps zur Niederlassung

Weiter angestellt bleiben oder doch niederlassen? Vor dieser Frage stehen viele junge Ärzte. Auch der Internist Dr. Alan Strassburg war zunächst unentschlossen. Nun gibt er Kollegen in ähnlicher Situation Rat.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Ein Arzt gibt Tipps zur Niederlassung

© Jens Büttner / dpa

HERBORN. Eigentlich war Dr. Alan Strassburg ganz zufrieden als angestellter Arzt in einem Hamburger MVZ. Doch dann bekam der Internist die Möglichkeit, die pneumologische Schwerpunktpraxis seines Vaters Dr. Jörg Strassburg in Herford zu übernehmen.

Der damals 37-jährige Arzt wusste nicht, ob die Niederlassung in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt der richtige Weg für ihn war. "Deshalb habe ich mich hingesetzt und erst mal eine Pro-ContraListe gemacht", berichtet er heute. Das habe ihm die Entscheidung für die eigene Praxis sehr erleichtert.

Nachdem er alle Argumente für und gegen die Niederlassung in der eigenen Praxis aufgeschrieben hatte, stellte er fest, dass die Pro-Seite eindeutig länger war. Dort standen, mit Spiegelstrichen versehen, Argumente wie "eigener Chef, weniger Dienste, höheres Gehalt, geringere Arbeitszeit und mehr Urlaub".

Auf der Kontra-Seite hatte der Internist eine ganze Reihe von Argumenten notiert, die dagegen sprachen, nämlich größere Verantwortung, kein direkter oder nur unregelmäßiger Kontakt zu Kollegen, finanzielles Risiko, Verantwortung für Angestellte, verdichtete Arbeitszeit- und Herford, eine Stadt, die ihm nach einigen Jahren in Hamburg zunächst nicht unbedingt attraktiv erschien.

Gerade das finanzielle Risiko sei ein Faktor gewesen, der schwer gewogen habe, sagt Strassburg rückblickend. "Der KV-Sitz kostete 200.000 Euro, dazu kamen noch Renovierungskosten, Ausgaben für die Webseite und die Corporate Identity der Praxis, Investitionen in medizinische Geräte." Geholfen habe es ihm, dass die KV Westfalen-Lippe, der er zugehörig ist, ihm einen Praxispaten zur Seite gestellt hat, der ihn wirtschaftlich beraten und bei den verschiedenen Schritten zur Praxisübernahme begleiten konnte.

Anfang 2014 übernahm der Arzt die Praxis von seinem Vater und sagt heute: "Ich habe jetzt deutlich seltener Bauchschmerzen und mehr Zeit für meine Familie. Ich bin jetzt deutlich glücklicher." Rückblickend erkennt er, was gut und richtig lief - und was er hätte besser machen können. Deshalb gibt Strassburg jungen Kollegen, die sich eine Niederlassung vorstellen können, gerne ein paar gute Ratschläge, zuletzt auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Mannheim:

Klinik verlassen: "Wer in die Praxis will, sollte nach Erreichen des Facharztes zügig den Weg in die Niederlassung suchen."

Erfahrung sammeln: "Ich kann nur raten, zunächst für mindestens zwei Jahre in einer großen, modernen, jungen Praxis mitzuarbeiten, um dort Erfahrungen für die eigene Praxis zu sammeln."

Kreditangebote vergleichen: "Für den Kredit sollten mehrere Banken kontaktiert und die Konditionen verglichen werden."

Beratung in Anspruch nehmen: "Erkundigen Sie sich nach Patenschaftsmodellen Ihrer KV!"

Für die Zukunft hat Strassburg sich vorgenommen, die Abläufe in seiner Praxis zu optimieren, die Fallzahl zu reduzieren und mehr Privatpatienten zu behandeln. Er plant, sich mehr Zeit für klinische Studien zu nehmen, und will versuchen, seine Praxis durch einen zweiten KV-Sitz zu vergrößern.

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Kommentare
Christoph Luyken 16.06.201623:28 Uhr

Familiensache

Der eigene Vater verlangt 200 Tsd.??
Kaum zu glauben.
Und wenn so eine hohe Ablöse, - dann hätte es ja nicht der wenig geschätzte Ort sein müssen....

Richard Barabasch 16.06.201613:40 Uhr

Mit der "rosaroten Brille" ist die Welt immer erträglicher

Und alle bisherigen Berichte hier in den letzten vier Jahren waren durchgehend geschönt - mit jener rosaroten Brille. Herr Kollege Fischer, der ja im gleichen KV-Bezirk arbeitet wie Herr Straßburg, weiß als "alter Hase" und ohne "rosarote Brille" sehr genau, warum er seinen Kommentar schrieb und vor allem wozu ! Denn : Herrn Fischer liegt "die ganze Wahrheit" am Herzen, weil er "mit ganzem Herzen" seinem Arztberuf nachgeht - nur eben im Laufe seiner Niederlassungszeit alle Stacheln und alle Hinterhälte und alle Unsäglichkeiten kennengelernt hat, die einem Krankekassenpflichtversicherten betreuenden Vertragsarzt in Deutschland nicht verborgen bleiben - so er denn gerade K E I N E !!!! "rosarote Brille" auf der Nase hat,
meint
R.B.

Dr. Henning Fischer 16.06.201610:56 Uhr

Hallo Herr Kollege Straßburg


aber bitte auch erwähnen

- die Kassen zahlen derzeit 62% der erbrachten Leistungen (laut KVWL)
- der niedergelassene Arzt haftet im Fall des Falles mit seinem gesamten Privatvermögen
- Wochenarbeitszeiten zumindest bei Hausärzten > 50 Stunden
- Hausarztpraxen meist unverkäuflich

ect.

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