Urteil

Erbrochenes muss nicht aufbewahrt werden

Das Oberlandesgericht München gab der Beschwerde eines 79-jährigen Angeklagten, der sein Erbrochenes aufbewahren sollte, statt.

Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Ein Angeklagter muss nicht schon nach wenigen Krankheitstagen sein Erbrochenes in einem Eimer aufbewahren, um seine schon ärztlich bescheinigte Verhandlungsunfähigkeit zu beweisen. Das ist unnötig und entwürdigend, wie das Oberlandesgericht (OLG) München entschied.

Der 79-jährige Angeklagte sollte sich wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Augsburg verantworten. Zum ersten Verhandlungstermin am 22. Juli 2013 reichte der Mann ein Attest ein. Darin bescheinigte ihm sein Arzt eine akute Gastroenteritis.

Auch zwei Tage später hielt sich der Angeklagte noch nicht für verhandlungsfähig. Der Vorsitzende der Strafkammer ordnete daraufhin die Untersuchung durch einen gerichtlichen Sachverständigen an.

Hierfür sollte der Angeklagte sein Erbrochenes in einem Eimer aufbewahren und dem Sachverständigen übergeben. Der Sachverständige untersuchte den Mann noch am selben Tag. Das in einem geschlossenen Gefäß verwahrte Erbrochene rührte er hierfür allerdings nicht an.

In seiner Menschenwürde beeinträchtigt

Der Verteidiger des 79-Jährigen legte nunmehr Beschwerde gegen die Anordnung ein, das Erbrochene aufzubewahren. Die betroffene Strafkammer des Landgerichts Augsburg sah sich allerdings noch im Recht; das OLG gab der Beschwerde nun aber statt.

Die Anordnung habe den Mann "in seiner Menschenwürde und in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht tiefgreifend beeinträchtigt", befanden die Münchener Richter. Er sei "entwürdigt und erniedrigt" worden und sei "in einem der intimsten Bereiche" betroffen.

Dabei sei die Anordnung noch nicht einmal zweckdienlich gewesen. Um die Verhandlungsunfähigkeit zu überprüfen, sei eine Untersuchung des Erbrochenen nicht notwendig gewesen und entsprechend habe der Sachverständige dies auch nicht getan.

Zudem sei der Angeklagte erstmalig krank gewesen und habe sich nicht schon über Wochen der Verhandlung entzogen. Zwar bessere sich eine Gastroenteritis in der Regel schon nach wenigen Tagen.

Doch könne nach Angaben des Sachverständigen bei älteren Menschen die Erholung durchaus länger dauern - zumal, wenn es wie hier besonders schwül und heiß sei. (mwo)

Az.: 3 Ws 661/13 und 3 Ws 662/13

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Welche Endpunkte sind patientenrelevant?

Patientenrelevanz: Ein Kommentar aus juristischer Sicht

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Empfehlungs-Wirrwarr

Drei Hypertonie-Leitlinien: So unterscheiden sie sich

Lesetipps
Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung