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Es fehlen Testärzte
Bei der Vorbereitung der Tests der Online-Anwendungen der Gesundheitskarte gibt es Unstimmigkeiten. In der KVWL gibt es Befürchtungen, dass der medizinische Nutzen zu kurz kommen könnte.
Veröffentlicht:KÖLN. Bei der Erprobung der Telematik-Infrastruktur könnte eine falsche Schwerpunktsetzung den langfristigen Erfolg gefährden, fürchtet Dr. Thomas Kriedel, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und Sprecher der Telematik-Testregionen.
"Meine Sorge ist, dass die medizinischen Anwendungen nicht richtig ausgetestet werden", sagt Kriedel der "Ärzte Zeitung".
Schon die Rekrutierung für die Teilnehmer an den Tests der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) läuft nicht optimal, findet er.
In der Testregion Nordwest, zu der Westfalen-Lippe gehört, sind bislang 430 Verträge mit Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern geschlossen worden. Das angestrebte Ziel von 500 wird erreicht, erwartet Kriedel.
Es gibt keine Cluster von Ärzten
Kritisch sieht er aber die Zusammenstellung der Teilnehmer. Sie liegt in der Hand der CompuGroup Medical, die in dieser Testregion die Federführung bekommen hat. Sie hat den Fokus zunächst darauf gelegt, Mitstreiter zu finden, die mit einem ihrer Software-Systeme arbeiten, sodass Schnittstellen-Probleme entfallen.
Was Kriedel fehlt, ist die gleichzeitige Bildung von Clustern in bestimmten Regionen. Schließlich gehe es langfristig darum, medizinisch sinnvolle Anwendungen wie den elektronischen Arztbrief oder das elektronische Überleitungsmanagement zu erproben. Dafür bieten sich Ärzte und Kliniken an, die schon zusammenarbeiten. "Das ist nicht sichergestellt."
In Meschede etwa soll eine Klinik mitmachen, gleichzeitig sind gerade einmal drei niedergelassene Ärzte dabei. "Wie will man da den Austausch richtig testen?"
In Bochum, wo die KVWL selbst Anwendungen erprobt, gebe es technikaffine Ärzte, die sich grundsätzlich an dem Projekt beteiligen würden.
"Das tun sie aber nicht, wenn es nicht um versorgungsrelevante Anwendungen geht", sagt Kriedel. Die bisherigen Erfahrungen in Bochum hätten gezeigt: "Nur weil der Online-Stammdatenabgleich funktioniert, heißt das nicht, dass die Telematik-Infrastruktur funktioniert."
Bei den Vorbereitungen zum Online-Rollout ab 1. April 2015 liegt der Fokus auf dem Online-Abgleich der Versichertenstammdaten. Kriedels Sorge: "Es geht gar nicht um die bessere Kommunikation zwischen Ärzten." Damit könne man engagierte Ärzte nicht zu einer Teilnahme motivieren.
Es geht um Nutzen für die Patienten
"Wir brauchen deshalb Modellversuche mit Tests zu den medizinischen Anwendungen und einer stärkeren Einbeziehung der Beteiligten." Ein solches Projekt in Hand der KVen wäre keine Konkurrenz zur gematik, betont er.
Unter anderen Vorzeichen könnte sich auch Hausarzt Wilfried Deiß aus Siegen die Mitarbeit an Tests vorstellen. Voraussetzung müsste sein, dass der patientenorientierte Nutzen, die gesicherte Alltagstauglichkeit und eine hohe Datensicherheit durch Verzicht auf zentralistische Datensammlungen sichergestellt sind, betont er.
Deiß hatte 2006 einen Aufruf gegen die eGK initiiert und begleitet das Projekt seit Jahren kritisch. Jetzt ist ihm die Teilnahme an der ersten Stufe der Tests angeboten worden - was er dankend abgelehnt hat.
Der Internist hat aber 20 Seiten Informationen und Vertragsformulare genau studiert. "Für die Teilnahme wurde mir eine Aufwandsentschädigung von 7500 Euro und eine Monatspauschale von 975 Euro bis zum Ende des Testlaufs angeboten."
Ihn freut, dass trotz der hohen finanziellen Anreize die Rekrutierung für die Tests eher schleppend läuft. "Das zeigt, wie groß der Widerstand der Ärzte gegen das Projekt ist."
Was Deiß besonders gestört hat: Der Vertrag enthalte eine Geheimhaltungsklausel. "Als teilnehmender Arzt hätte ich über den Ablauf der Tests nichts berichten dürfen."
Seine Skepsis gegenüber der eGK und der Telematik-Infrastruktur ist über die Jahre gewachsen. "Das Projekt ist sehr viel komplexer, sehr viel teurer, sehr viel praxisuntauglicher, als ich damals dachte", sagt er.