Studie zeigt
Es knirscht zwischen Haus- und Betriebsärzten
Einer Studie der Universität Tübingen zufolge sind sich Haus- und Betriebsärzte nicht immer grün. Dabei überschneiden sich oft ihre Arbeitsgebiete. Zugleich wissen beide Berufsgruppen, dass sie auf bessere Kooperation angewiesen sind.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Das Verhältnis zwischen Hausärzten und Betriebsärzten ist nicht spannungsfrei. Das zeigen Befragungen, die das Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung der Universität Tübingen in den vergangenen Jahren bei beiden Berufsgruppen durchgeführt hat.
Immer wieder werde von Hausärzten der Verdacht geäußert, dass Betriebsärzte sich nicht an die Schweigepflicht halten und als Anwalt des Arbeitgebers agieren, berichtete die Leiterin des Tübinger Instituts Professor Monika Rieger bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) in München.
Tatsächlich unterliegen auch Betriebsärzte der ärztlichen Schweigepflicht und geben keine Informationen an den Arbeitgeber weiter, betonte Rieger.
Hausärzte fürchten "Einmischung"
Aus den offenen Befragungen sei auch deutlich geworden, dass Hausärzte oftmals das Gefühl haben, Betriebsärzte mischten sich in ihre Arbeit ein. Ein Hausarzt habe das Verhältnis sogar als "therapeutisches Schlachtfeld" bezeichnet.
Betriebsärzte hätten andererseits gelegentlich den Eindruck, dass sie mit ihren Hinweisen an der hausärztlichen Kompetenz rühren. Häufig berichten Betriebsärzte außerdem, dass sie mit vielleicht gut gemeinten, aber unklug formulierten Attesten von Hausärzten Probleme haben.
Gleichwohl gebe es einen Grundkonsens in beiden Fachgruppen, dass man sich besser kennenlernen sollte und dass Vertrauensbildung notwendig ist.
"Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass wir keine Konkurrenten sind, sondern die Patienten in die gleiche Richtung begleiten wollen", zitierte Rieger einen Arzt aus den Befragungen.
Arbeitsgebiete überlappen sich
Zu den Hauptaufgaben der Arbeitsmedizin gehören die Vermeidung von Arbeitsunfällen, arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten sowie der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, erläuterte Rieger.
Und weil Erwerbsbiografien seit einigen Jahren wieder länger geworden sind und deshalb mehr Beschäftigte mit chronischen Krankheiten im Arbeitsleben stehen, gibt es im Bereich von Präventions-, Rehabilitations- und Wiedereingliederungsmaßnahmen vermehrt "überlappende Arbeitsgebiete von Hausärzten und Betriebsärzten", so Rieger.
Auf der Grundlage der Befragungen von Hausärzten und Betriebsärzten wurde am Tübinger Institut eine Fragebogenaktion bei 1000 Hausärzten in Baden-Württemberg und 1062 Betriebsärzten in vier Bundesländern gestartet, die quantitative Aussagen zur Zusammenarbeit beider Berufsgruppen ermöglichen soll.
Geantwortet hatten 30 Prozent der Hausärzte und 42 Prozent der Betriebsärzte, berichtete Rieger.
Nach einer ersten, noch nicht abgeschlossenen Auswertung hatten von den Betriebsärzten 90 Prozent schon einmal telefonischen Kontakt mit einem Hausarzt. Bei den Hausärzten gaben 49 Prozent an, schon einmal mit einem Betriebsarzt am Telefon gesprochen zu haben.
Bemerkenswert sei außerdem, dass 14 Prozent der Hausärzte noch nie Kontakt mit einem Betriebsarzt hatten, trotzdem aber an der Befragung teilnahmen, berichtete Rieger.
Vorrangiges Kontaktmedium waren Kurzarztbriefe und Befundmitteilungen, wobei Betriebsärzte deutlich häufiger Kurzarztbriefe schreiben als Hausärzte (48 Prozent vs. 18 Prozent).
Und auch bei den Befundmitteilungen lagen die Betriebsärzte mit 70 Prozent gegenüber 43 Prozent bei den Hausärzten vorne. Außerdem sprachen sich beide Berufsgruppen für klar getrennte Aufgabenbereiche aus.
Unterschiedliche Themenprioritäten
Bei der Frage, welche Schnittstellen die Berufsgruppen als wichtig für eine bessere Zusammenarbeit erachten, gaben Hausärzte häufiger das Thema Arbeitsunfähigkeit an, während Betriebsärzte die stufenweise Wiedereingliederung und die Rehabilitation in den Vordergrund rückten.
Und wenn es um geplante Änderungen von Arbeitsbedingungen geht, wünschen sich Hausärzte mehr Informationen von den Betriebsärzten.
Kein wichtiges Schnittstellenthema ist für Hausärzte und Betriebsärzte die Primärprävention, wozu auch Impfangebote zählen. Die Frage der Vergütung für Kommunikation ist für Hausärzte naturgemäß bedeutsamer als für Betriebsärzte.
Grundtenor: Mehr Kooperation
Nach Riegers Einschätzung weisen die unterschiedlichen Sichtweisen darauf hin, dass noch einiges getan werden muss, um das gegenseitige Verständnis zu verbessern.
Bei der Interpretation der Antworten, in denen beide Berufsgruppen betonen, dass grundsätzlich eine bessere Zusammenarbeit wichtig oder sehr wichtig sei, müsse allerdings berücksichtigt werden, dass Antworten sicher auch "im Sinne einer sozialen Erwünschtheit" gegeben wurden, meinte Rieger.
Gleichwohl sei ein Grundtenor erkennbar, der die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit von Hausärzten und Betriebsärzten unterstreicht.