Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten
Ex-Landesdatenschutzbeauftragter äußert Zweifel an Rechtmäßigkeit des GDNG
Die künftig für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle beim BfArM anzusiedeln, sieht Thilo Weichert kritisch. Knackpunkt sei die BMG-Weisungsbefugnis.
Veröffentlicht:Ludwigshafen/Rhein. Ist das sich im Moment noch im parlamentarischen Verfahren befindliche Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) in Teilen europarechts- und verfassungswidrig? Für Dr. Thilo Weichert, von 2004 bis Juli 2015 Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, ist die Frage klar zu bejahen, wie er bei einem Online-Experten-Workshop der Stiftung Lebensblicke zum Thema Datenschutz und Datensicherheit postulierte.
Konkret geht es um den in Paragraf 3 GDNG vorgesehenen Aufbau einer Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten (DKS) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Knackpunkt sei, dass die DKS laut Entwurf der Verordnung zum Aufbau des Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space/EHDS) auch für diesen als Zugangsstelle tätig werde. „Das BfArM unterliegt aber den Weisungen des BMG, sodass dessen Unabhängigkeit in Bezug auf Zugangsgenehmigungen gemäß EHDS nicht gewährleistet ist“, monierte Weichert. Vielmehr setze die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Forschung voraus, so das Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD), dass Anträge auf Datenzugang ausschließlich nach fachlichen und nicht nach politischen Kriterien getroffen würden. Daher bedürfe es einer Verselbstständigung und gesetzlich konkret geregelten Ausgestaltung der DKS, so das Plädoyer des Juristen Weichert.
BMG-Jurist Wagenblast: „Möglichst jetzt schon EHDS-ready werden!“
Diese Sicht teilt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) offensichtlich nicht. Wie Christoph Wagenblast, nach eigener Aussage beim BMG federführender Jurist bei der Ausarbeitung des GDNG, in seinem Impulsreferat hervorhob, sei das „Brückengesetz zum EHDS“ mit Blick auf das Potenzial der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten vor allem als Chancengeber auch für die medizinische Forschung zu sehen.
Das GDNG bereite somit den European Health Data Space vor, dessen EU-Verordnung nach Beendigung des gegenwärtigen Trilogverfahrens und Inkrafttreten nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in die nationale Gesetzgebung überführt werden müsse. „Wir müssen möglichst jetzt schon EHDS-ready werden!“, warb er für das GDNG, das dem Ausbau der dezentralen Infrastruktur für Gesundheitsdaten den Weg ebne. Die DKS, konkretisierte Wagenblast, sei als Health Data Access Body (HDAB) – also als nationale Zugangsstelle nach EHDS-Verordnung geplant. Denn die Verordnung sieht vor, dass die einzelnen EU-Mitgliedstaaten genau solche Health Data Access Bodies aufbauen, die dann wiederum europaweit durch ein Portal verknüpft werden. Somit fungiere die DKS als „zentraler Koordinator in einer dezentralen Gesundheitsdatengovernance und als Vermittler zwischen Datenhaltern und Datennutzern“, sagte er.
DKS soll Metadatenkatalog erstellen
Klar umriss Wagenblast auch das Aufgabenspektrum der DKS. Diese solle demnach als zentraler Ansprechpartner für alle Datennutzer fungieren und einen Metadatenkatalog erstellen, der aufzeige, welche Gesundheitsdaten wo verfügbar seien. Denn angesichts von zum Beispiel bundesweit mehr als 400 Registern wisse derzeit wohl niemand, welche Daten insgesamt überhaupt verfügbar seien. Weitere Aufgaben der DKS seien die Beratung zur Datennutzung, die Unterstützung bei Antragstellung – konkret die Entgegennahme und Weiterleitung von Anträgen – und die Mitwirkung bei der Verknüpfung von Daten verschiedener Datenhalter, wozu Wagenblast explizit auch die Daten aus den Praxen zählt.
Wagenblast warb bei allen Playern im deutschen Gesundheitswesen um aktive Mitwirkung bei der Umsetzung des GDNG: „Rechtsvorschriften sind wichtig, aber nicht allein entscheidend. Auch das Mindset zählt!“ Insgesamt stelle das GDNG die Chancen der Datennutzung in den Vordergrund und nicht deren Risiken. „Wir brauchen einen ermöglichenden Datenschutz!“, so Wagenblast.