Gesetzentwurf zur Korruption
Futter für Verdächtigung
Keine Entwarnung für ärztliche Kooperationen, Ungleichbehandlung von Privat- und Kassenärzten oder die fehlende Differenzierung zwischen unternehmerischem und ärztlichem Handeln: Auch dem jüngsten Gesetzentwurf zur Korruption im Gesundheitswesen mangelt es nicht an Pferdefüßen.
Veröffentlicht:BERLIN. Nachdem Mitte voriger Woche der Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums zu Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen durchgesickert ist, hat der nur eine Woche zuvor veröffentlichte Gesetzesantrag Bayerns in gleicher Angelegenheit parlamentarische Konkurrenz bekommen.
Der Regierungsentwurf unterscheidet sich allerdings nur geringfügig von den Formulierungen aus München. Zum einen hinsichtlich der Strafverfolgung auf Antrag - des Verletzten, einer berufsständischen Kammer oder eines Berufsverbands.
Auch Pflegeberufe erfasst
Das war in dem Papier des bayerischen Justizministers Professor Winfried Bausback (CSU) so nicht enthalten. Zum zweiten wird der Kreis möglicher Täter im Regierungsentwurf deutlich weiter gefasst.
In der Gesetzesvorlage des Freistaats war nur von Angehörigen verkammerter Heilberufe die Rede, die bei unlauterer Bevorzugung gegen Vorteilsnahme strafrechtlich zu belangen wären.
Justizminister Heiko Maas (SPD) adressiert dagegen sämtliche "Angehörige eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert".
Damit wären unter anderem auch Krankenpfleger oder Physiotherapeuten angesprochen.
Zwar befindet sich der Gesetzentwurf aus dem Maas-Ressort derzeit noch in der Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsministerium.
Etliche für Ärzte neuralgische Punkte werden aller Voraussicht nach aber auch in der abschließend konsentierten Fassung wiederzufinden sein.
Während der vorbereitenden Diskussionen zu einem Straftatbestand Korruption im Gesundheitswesen wurde von ärztlicher Seite immer wieder kritisiert, dass damit Praxisnetze und andere gesundheitspolitisch eigentlich erwünschten Kooperationen ins Zwielicht geraten.
Der Begründungsteil des Regierungsentwurfs geht auf diese Befürchtungen denkbar knapp ein: Die berufliche Zusammenarbeit von Ärzten würde nur dann einen Straftatbestand Korruption erfüllen, wenn "dabei Vorteile für eine unlautere Bevorzugung bei der Zuweisung gewährt" werden.
Dem auf Medizinstrafrecht spezialisierten Berliner Anwalt Dr. Daniel Geiger ist das als Klarstellung zu dünn. Zumal, so Geiger, "der Gesetzgeber an die - gerade für das kooperationsbedürftige Gesundheitswesen überaus problematische - Rechtsprechung anknüpft, wonach bereits im Abschluss eines Vertrages ein Vorteil liegen kann.
Und zwar selbst dann, wenn die darin vereinbarte Vergütung ein angemessenes Entgelt für die vertraglich geschuldete Leistung ist."
Gleichwohl erwartet Geiger, dass vor den Gerichten künftig pragmatisch dennoch auf die Vergütungshöhe abgestellt werden wird, um zwischen lauteren und unlauteren Kooperationsbeziehungen zu unterscheiden.
Hemmschuh für Kooperationen
Das werfe unweigerlich die Frage auf, was angemessen und was unangemessen ist. Geiger: "Die Antwort bleibt der Gesetzgeber schuldig.
Dass unter einer solchermaßen unbestimmten Norm auch strafunwürdige Kooperationsformen leiden werden, weil sie mit einem strafrechtlichen Wagnis unsicheren Ausgangs verbunden sind, ist ein aus meiner Sicht sehr realistisches Szenario."
Weitere Kritikpunkte des Medizinrechtlers an dem geplanten Gesetz:
Die darin vorgesehene Anbindung der Strafandrohung nicht allein an unlautere Bevorzugung, sondern auch an die Verletzung von Berufsausübungspflichten.
Durch letzteres werde, weil die Kammern selbst Berufsausübungspflichten festlegen, "in verfassungswidriger Weise strafrechtliche Regelungskompetenz auf die Landesärztekammern übertragen", so Geiger.
Außerdem gehe damit eine Ungleichbehandlung von Privatärzten und Kassenärzten einher, für die das Sozialgesetzbuch V eigene Berufsausübungspflichten vorschreibt.
Eine weitere Ungleichbehandlung ergibt sich nach Ansicht Geigers auch durch das Nebeneinander des alten Straftatbestands "Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr" (§ 299 StGB) und des neuen § 299a ("Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen").
Die alte Ungleichbehandlung etwa von Klinikärzten, die als Angestellte bereits vom § 299 StGB erfasst waren und Niedergelassenen, für die er nicht zutraf, werde nur verschoben.
Geiger: "Abhängig von der zusätzlichen Qualifikation eines Heilberufsangehörigen als Angestellter oder gar Amtsträger kumulieren in seiner Person jetzt die Strafbarkeitsrisiken".
Als positiv bewertet Geiger, dass im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums immerhin die Problematik erkannt wurde, dass die neue Strafrechtsnorm auch Handeln auf eigene Rechnung - des Arztes als Praxisinhaber - erfassen könnte.
Dazu wörtlich in der Begründung: "Regelmäßig wird die unlautere Bevorzugung bei Bezug, Abgabe, Verordnung oder Zuführung im Rahmen eines Auftragsverhältnisses zum Patienten erfolgen.
Wo dies nicht der Fall ist, etwa wenn der Vorteilsnehmer Produkte (beispielsweise Praxisbedarf) auf eigene Rechnung bezieht, ist jeweils genau zu prüfen, ob die Bevorzugung unlauter ist".
Im eigentlichen Gesetzeswortlaut, so Geiger, finde diese Differenzierung "problematischerweise allerdings keinen Niederschlag".