Korruption

Entwurf aus Bayern stößt auf Skepsis

Derzeit wird ein Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen vorbereitet. Ärztenetze bemängeln, dass auf ihre Sorgen nach wie vor nicht eingegangen wird. Daran ändert auch der jüngste Gesetzentwurf aus Bayern nichts.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Finger weg von Zuwendungen – Heilberufler sollen unabhängig bleiben.

Finger weg von Zuwendungen – Heilberufler sollen unabhängig bleiben.

© anoli / fotolia.com

MÜNCHEN/BERLIN. Das Vorhaben, einen Straftatbestand Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen zu schaffen, kommt voran. Bei der nächsten Bundesratssitzung am 6. Februar will Bayern dazu einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen.

Der kürzlich veröffentlichte Vorschlag aus der Münchener Staatskanzlei sieht vor, dass Angehörige verkammerter Heilberufe bei berufsbedingter Vorteilsannahme mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe, in schweren Fällen sogar mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen. Ebenso soll die Vorteilsgewährung bestraft werden.

Konkret angesprochen sind Zuwendungen für die unlautere Bevorzugung beim "Bezug, der Verordnung, der Verabreichung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial".

Hoffen auf Regierungsentwurf

Insbesondere Ärztenetze stehen den bisherigen Bemühungen, Korruption im Gesundheitswesen strafrechtlich zu sanktionieren, skeptisch gegenüber, weil damit Kooperationen freiberuflicher Praxisinhaber schnell Gefahr laufen, in eine rechtliche Grauzone zu geraten.

Sobald Gelder außerhalb des Kollektivvertrags verteilt werden, erläutert Dr. Klaus Bittmann, Vorsitzender der Ärztegenossenschaft Nord, liege jedenfalls nach den bisherigen Gesetzentwürfen ganz schnell der Verdacht verbotener Kickbacks nahe.

Das sei bereits bei einem vor zwei Jahren vom Hamburger Senat vorgelegten Papier der Fall gewesen, so Bittmann. Auch der aktuelle Text aus Bayern habe die Sache nicht entschärft. "Was lauter und was unlauter heißt, muss präzisiert werden", so Bittmann.

Er setzt nun auf das Bundesjustizministerium, das entsprechend der Ankündigung im Koalitionsvertrag ebenfalls an einem Gesetzesvorschlag strickt.

Der soll, so ein Ministeriumssprecher zur "Ärzte Zeitung", in Kürze in die Ressortabstimmung mit dem Gesundheitsministerium gehen.

"Kleine Zahl schwarzer Schafe"

Vergangenen Herbst habe es dazu eine Expertenanhörung gegeben , bei der Repräsentanten von Ärztegenossenschaften und -netzen ihre Bedenken vorgebracht hätten, berichtet Bittmann.

"Ich hoffe inständig, dass sich das in dem Entwurf des Justizministeriums wiederfindet".

Unterdessen bemüht sich der bayerische Justizminister Professor Winfried Bausback (CSU), den Eindruck zu vermeiden, mit seiner Gesetzesinitiative "eine ganze Berufssparte unter Generalverdacht" stellen zu wollen.

Bausback: "Es geht lediglich um eine strafrechtliche Handhabe für die kleine Zahl der schwarzen Schafe, die ihre Entscheidungsmacht missbräuchlich ausnutzt und damit nicht nur den Patienten, sondern gerade auch der weit überwiegenden Mehrheit der integren Ärzte schadet".

Anlass für das Reformvorhaben war ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus 2012. Ein Arzt hatte von einer Pharmareferentin Prämien für firmenkonforme Verordnung erhalten.

Da er aber weder als Amtsträger noch als Beauftragter der Kassen anzusehen war und mangels eines eigenen Strafrechtsparagrafen zur Ärztebestechung, konnten er und die Außendienstmitarbeiterin nicht belangt werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.01.201516:15 Uhr

Anti-Korruptions StGB-Entwurf aus Bayern ist verfassungswidrig!

Der bayerische Justizminister Professor Winfried Bausback (CSU) braucht gar nicht erst versuchen den Eindruck vermeiden zu wollen, mit seiner Gesetzesinitiative solle "eine ganze Berufssparte unter Generalverdacht" gestellt werden.

Es ist weitaus schlimmer: Mit einem Sonder-, Gesinnungs- und Berufsausübungs-Strafrecht, welches gezielt und ausschließlich Angehörige "verkammerter H e i l berufe" standrechtlich treffen soll und n i c h t alle anderen, theoretisch genauso korruptionsverdächtig "verkammerten Berufe" wie Apotheker, Architekten, Rechtsanwälte bzw. Angehörige des Handwerks (Handwerkskammer), der Industrie oder des Handels (Industrie- und Handelskammer) umfasst, wird das grundgesetzlich gebotene Diskriminierungs- und Stigmatisierungsverbot überschritten.

Der bayerische Justizminister realisiert vorauseilend und völlig unangemessen den immerhin noch fiktiven Gesetzentwurf eines § 299a Strafgesetzbuch (StGB) mit Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in München I, Nürnberg-Fürth und Hof. Ermittlungen und Strafverfolgungen von allgemeinen Korruptions- und Vermögensdelikten ausschließlich auf Angehörige der akademischen Heilberufe im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung zu fokussieren, sind "Jagdszenen aus Niederbayern" und konzentrierte Hatz auf Ärztinnen und Ärzte. Das verstößt sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz als auch gegen die verfassungsmäßig gebotene Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Gleichzeitig werden andere Bereiche und Branchen der Freien Berufe über Handwerksmeister, Freie Gewerbetreibende, Firmeninhaber, Versicherungs-Agenturen, Architekten, Abgeordnete, Anwälte, Handels-Agenturen bis zu Profi-Fußballvereinen vom möglichen strafrechtlichen Vorwurf der Bestechlichkeit, Bestechung, Vorteilsnahme und -gewährung freigestellt. Sie dürften weiterhin für Provisionen, Transfers, Vermitteln, Organisieren und Ausführung von Aufträgen straffrei die Hand aufhalten.

Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein: vom Landtags- und Bundestags-Abgeordneten über Ärzte, Angehörige der Heilberufe, GKV- und PKV-Mitarbeiter, Heilpraktiker, Hilfsmittelhersteller, Krankenhausträger, Medizinprodukte-Hersteller, Medizin- und EDV-Technik, Pharmafirmen-Mitarbeiter bis zum Bestattungsunternehmer, um nur einige zu nennen.

In allen Lebensbereichen gibt es moralisch-ethisch verwerfliches bzw. kriminelles Handeln. Sonst bräuchten wir kein allgemein verbindliches Strafgesetzbuch. Aber ausgerechnet auf Grund fiktiv-populistischer Untreue-Annahmen, eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2012 und auf Anregung von "Transparency International" (TI) einen Paragrafen 299a im StGB ("Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen") verankern und damit alle a n d e r e n Branchen privilegieren zu wollen, offenbart eine rückwärts gerichtete Rechts-, Gesetzgebungs- und Verfassungskultur.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang Bensch 23.01.201515:25 Uhr

Korruption oder Abrechnungsbetrug?

Die Bemühungen des Gesetzgebers offenbaren doch nur, dass dieses System der Krankenversicherung dysfunktional wurde. Man wird es auch durch so ein "Anti-Korruptionsgesetz" nicht ändern können, es hat sich längst überlebt.
Noch mehr dazu hier:
http://www.arztwiki.de/wiki/Abrechnungsbetrug

Dr. Helmut Müller 23.01.201510:26 Uhr

Natürlich wird hier eine ganze Berufssparte unter Generalverdacht gestellt

Wenig glaubhaft sind die Beschwichtigungsversuche des bausbäckigen bayerischen Justizministers, der neben dem sehr umstrittenen Gesetzesentwurf gleich auch noch drei Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für die Verfolgung von Korruptionsdelikten im Gesundheitswesen in Bayern installiert hat. Bisher hat gerade die bayerische Justiz keinerlei Zahlen dafür geliefert, dass speziell im Freistaat die Korruptionsfälle im Gesundheitswesen so häufig seien, dass zur Aufklärung und Verfolgung gleich drei Staatsanwaltschaften erforderlich wären. Wenn man entsprechende Presseberichte verfolgt, so ist dieser Tatbestand gerade in den letzten 12 Monaten ja wohl deutlich häufiger im politischen Umfeld zu verzeichnen.

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