Telematikinfrastruktur

Gassen fordert Neustart für Digitalisierung – und erntet Widerspruch

Die aktuell laufende Digitalisierung in den Praxen ist nur ein „teures Ärgernis“, sagt Kassenärztechef Gassen. Er schlägt vor, das Projekt ganz neu aufzusetzen. Krankenkassen und Minister Lauterbach halten dagegen.

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Sieht die Digitalisierung auf völlig falschem Weg und fordert einen Neustart: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Sieht die Digitalisierung auf völlig falschem Weg und fordert einen Neustart: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

© Jürgen Heinrich / SZ Photo / picture alliance

Berlin. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen fordert einen Neustart bei der Digitalisierung von Arztpraxen in Deutschland. Die Einführung der digitalen Patientenakte und des elektronischen Rezepts sei gescheitert.

Von den 73 Millionen gesetzlich Versicherten hätten nur einige Hunderttausende die elektronische Patientenakte angefordert, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag, online). Auch medizinisch sei sie nur ein elektronischer Aktenordner, den der Patient nach Gutdünken fülle.

„Man muss jetzt den Mut haben, offenkundig dysfunktionale Technologien zu beenden, frisches Geld in die Hand zu nehmen, und das Ganze noch mal neu aufsetzen“, so Gassen. Das werde vielleicht noch einmal mehrere Milliarden Euro kosten. „So aber verbrennt die Digitalisierung auch viel Geld und hemmt die Praxen bei ihrer Arbeit und bringt letztlich nichts.“ Für die Praxen sei eine solche „Pseudodigitalisierung“ nur ein teures Ärgernis.

Gassen: „Kein Mehrwert für Ärzte und Patienten“

Auch das elektronische Rezept funktioniere nicht, sondern werde vielfach noch immer in Papierform ausgestellt, sagte Gassen. „Digitale Anwendungen, die einen wirklichen Mehrwert für Patienten und Ärzte bringen, gibt es derzeit noch nicht.“

Zu Bedenken von Datenschützern angesichts sensibler Gesundheitsdaten sagte er: „Die Daten müssen in der Hoheit der Patienten sein. Jeder muss selbst entscheiden können, welche Daten er oder sie freigibt und welche nicht. Damit dürften dann auch die Datenschützer keine Probleme haben.“

GKV-Spitzenverband fordert pragmatische Lösungen

Der GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen widerspricht der KBV-Spitze: „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens braucht keinen Neustart, sondern ein entschlossenes Voranschreiten mit pragmatischen Lösungen“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz der dpa. Es erstaune auch, wie locker nach dem Geld der Beitrags- und Steuerzahler gerufen werde. „Wer immer nur sagt, was nicht geht, schafft keine positiven Veränderungen.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat unterdessen am Wochenende angekündigt, bei der Digitalisierung Tempo machen zu wollen. Er will die flächendeckende Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePA) weiter vorantreiben. Dabei spielten vor allem datenschutzrechtliche und technische Fragen eine Rolle, sagte er am Samstag anlässlich der Krebs-Fachtagung YES!CON in München.

Rollout des E-Rezepts verzögert sich

Eine der Kern-Errungenschaften der nächsten Jahre solle sein, digitale Befunde unter Ärzten, Patienten und Kliniken auf einem sicheren Weg austauschen zu können. Das Thema habe größte Bedeutung, weswegen die Voraussetzungen in den kommenden Jahren dafür geschaffen werden sollen.

Erst am Freitag hatte Lauterbach moniert, es gebe technische Probleme, deshalb verzögere sich der Rollout des E-Rezepts „etwas“. Die technischen Probleme stammten noch aus der Konzeptionsphase für das Projekt. (KNA/dpa)

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