Medizinprodukte

Gericht verurteilt TÜV zu Schadenersatz in Brustimplantate-Skandal

In erster Instanz ist der TÜV Rheinland in Toulon bei einem weiteren Prozess um seine Rolle im PIP-Skandal zu Entschädigungszahlungen verurteilt worden. Er will in Berufung gehen.

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Der Skandal um minderwertige Brustimplantate des inzwischen insolventen Anbieters hat weite Kreise gezogen und war sogar Mitauslöser der Novellierung der EU-Medizinprodukteverordnung.

Der Skandal um minderwertige Brustimplantate des inzwischen insolventen Anbieters hat weite Kreise gezogen und war sogar Mitauslöser der Novellierung der EU-Medizinprodukteverordnung.

© Alexandre Marchi / dpa

Toulon. Im jahrelangen Rechtsstreit um minderwertige Brustimplantate hat das Handelsgericht im französischen Toulon den TÜV Rheinland zu Schadenersatz in Millionenhöhe verurteilt. Rund 1600 klagende Frauen sollen nach dem am Freitag veröffentlichten Urteil vom Vortag eine vorläufige Entschädigung von jeweils 5150 Euro erhalten, in der Summe rund 8,2 Millionen Euro.

Binnen zwei Jahren soll ein Sachverständiger die Angelegenheit weiter untersuchen. Der TÜV kündigte eine Berufung gegen die Entscheidung in erster Instanz an. Der Rechtsstreit zieht sich in Frankreich seit Jahren in mehreren Verfahren durch die Instanzen – mit widersprüchlichen Ergebnissen.

Der Skandal ist eine schier unendliche Saga und wurde 2010 aufgedeckt. Der inzwischen insolvente französische Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) hatte jahrelang billiges Industriesilikon für seine Implantate verwendet. Die reißanfälligen Implantate könnten Schätzungen zufolge weltweit bei Hunderttausenden Frauen eingesetzt worden sein – auch bei Frauen aus Deutschland. Die Opfer berichteten etwa von Silikonkissen, aus denen das Gel herausgesickert sei.

Klägerinnen werfen TÜV Schlamperei vor

Der TÜV Rheinland hatte als unabhängiger Prüfdienstleister das Qualitätssicherungsverfahren von PIP zertifiziert. Die Klägerinnen werfen ihm deshalb Schlamperei vor. Sie argumentieren, dass der Pfusch mit überraschenden Kontrollen hätte aufgedeckt werden könnten. Das Unternehmen sieht sich dagegen selbst als Opfer der Täuschung von PIP und betont, keine Pflichten verletzt zu haben.

Nach dem jüngsten Urteil von Toulon erklärte die den TÜV vertretende Anwältin Christelle Coslin, dass der TÜV eine Haftung in der Sache von sich weise. Dem Gerichtsentscheid ständen Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union von 2017 und der Berufungsgerichte Versailles und Poitiers aus 2021 entgegen. „TÜV Rheinland lagen außerdem zu keinem Zeitpunkt im Rahmen seiner Tätigkeit für PIP Anhaltspunkte dafür vor, dass die Brustimplantate von PIP möglicherweise nicht konform waren.“ Aufgabe des TÜV sei es nach den Vorschriften nicht gewesen, einen Betrug aufzudecken. (dpa)

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