Kommentar zur GOÄ-Reform
Großbaustelle bis zum St. Nimmerleinstag
Elbphilharmonie, Großflughafen Berlin-Brandenburg, GOÄ-Reform - was haben diese drei Großbaustellen gemeinsam? Erstens: Niemand kennt das Datum der Fertigstellung. Zweitens: Es geht um Projekte im Hundert-Millionen- und Milliarden-Bereich; wie hoch die Rechnung am Ende ist, weiß heute ebenfalls niemand.
Und die Unterschiede: Elbphilharmonie und vor allem der Berliner Großflughafen sind permanent in den Schlagzeilen, die GOÄ allenfalls in Fachmedien oder auf den hinteren Seiten in den Wirtschaftsteilen der Publikumsmedien.
Das ist verwunderlich. Denn betroffen von der GOÄ-Reform sind rund zehn Millionen Privatpatienten, 150.000 niedergelassene Ärzte sowie ihre liquidationsberechtigten Kollegen in Kliniken. Aktuelle Honorarsumme jährlich: zehn Milliarden Euro. Allein der von der Ärzteschaft gewünschte Inflationsausgleich seit 1996 würde zusätzliche Kosten von gut drei Milliarden Euro auslösen.
Unstrittig ist, dass die Reform nötig ist. Die geltende GOÄ stammt aus dem Jahr 1982 und basiert auf dem Stand der Medizin in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Die Anwendung von Analogziffern ist zur Krücke geworden, die nicht mehr taugt.
Mehrfach hat deshalb der Ärztetag gut begründet eine zügige Reform angemahnt und die Verhandlungsführer der Bundesärztekammer unter Druck gesetzt. Druck kam und kommt aber auch aus der Politik. Ihre Bedingung: Ärzte und PKV und schließlich auch die Beihilfe sollen sich auf eine neue GOÄ einigen, bevor die Bundesregierung sie mit Länderuzstimmung als Rechtsverordnung beschließt.
Als Durchbruch wird deshalb von der Bundesärztekammer die nach langer Kontroverse mit der PKV im November 2013 beschlossene Rahmenvereinbarung gefeiert. Zweifellos ist das ein wichtiger Schritt nach vorn - in Wirklichkeit aber nur einer von vielen. Welche Hürden müssen noch genommen werden?
Erstens muss die Bund-Länder-Kommission der Beihilfe in einen Kompromiss einbezogen werden. Die Frage ist: Wie groß ist das Veto der mächtigen Länder-Finanzminister?
Strittig ist die Forderung der Ärzte nach einem Inflationsausgleich von 31,8 Prozent, verbunden mit der Forderung nach einer künftigen regelhaften Anpassung des Punktwertes.
Unklar sind die Systematik und das Ausmaß von Steigerungsfaktoren auf der Basis des "robusten Einfachsatzes", der den 2,3-fachen Regelmultiplikator ersetzen soll. Gibt es eine Begründungsschwelle, einen Höchstmultiplikator, eine Abdingungsmöglichkeit? Keine Antwort von der Bundesärztekammer.
Der Ärztetag hat ihr Verhandlungsmandat nochmals gestärkt. Ob das zur Hoffnung berechtigt, weiß derzeit niemand.
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