Familienmedizinischer Versorgungsansatz
Hausarzt für die ganze Familie ausdrücklich erwünscht
Rund die Hälfte der Bevölkerung befürwortet die Versorgung aller Familienmitglieder in ein und derselben Hausarztpraxis. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Düsseldorf. Hausärzte benötigen dafür aber bestimmte Kompetenzen.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Hausärztinnen und Hausärzte stehen als Anlaufstelle für die gesamte Familie hoch im Kurs. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf. Danach wünscht sich rund die Hälfte der Bevölkerung, dass alle Familienmitglieder in derselben Hausarztpraxis versorgt werden.
Um den familienmedizinischen Versorgungsansatz fester zu verankern, müssen sich aber die Rahmenbedingungen verbessern, betont Institutsleiter Professor Stefan Wilm. Als Teil einer repräsentativen Bevölkerungsstudie sind im September 2020 insgesamt 2017 Menschen im Alter von 14 bis 96 Jahren befragt worden. Die Ergebnisse sind gerade im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht worden. 45,6 Prozent der Befragten sind demnach dafür, dass alle Familienmitglieder in derselben Hausarztpraxis versorgt werden. 45,3 Prozent ist das nicht wichtig. 6,5 Prozent wollen explizit, dass ihre Familienmitglieder in verschiedenen Hausarztpraxen versorgt werden.
Wohnortunabhängige Meinung
Dabei spielen der Wohnort in der Stadt oder auf dem Land, das Geschlecht und ein möglicher Migrationshintergrund kaum eine Rolle. Die Befragung hat gezeigt, dass Personen mit höherem Haushaltseinkommen und solche aus größeren Haushalten eher eine gemeinsame Versorgung wünschen. Immer wieder heiße es, dass die hausärztliche Versorgung der ganzen Familie heute eigentlich keiner mehr wolle, sagt Wilm der „Ärzte Zeitung“. „Wir sind sehr erfreut, dass fast die Hälfte der Menschen diese Art der Versorgung doch möchte und nur wenige sie ganz ablehnen.“
Nach seinen Angaben ist schwer abzuschätzen, wie viele Familien zurzeit tatsächlich gemeinsam versorgt werden. Angesichts der vielfältigen Formen des Zusammenlebens und der unterschiedlichen Namen innerhalb der Familie sei die Zusammengehörigkeit oft nur schwer zu erkennen.
„In meinen 22 Jahren als Hausarzt habe ich schon öfter Familien betreut, ohne es zu wissen“, berichtet Wilm. Ältere Menschen, die seit vielen Jahren in einer Wohngemeinschaft zusammenleben, sollten seiner Meinung nach familienmedizinisch als Einheit betrachtet werden. Eine methodische Erfassung sei schwer.
Familienkonferenzen wären sinnvoll
An seinem Institut, das einen Forschungsschwerpunkt in der Familienmedizin hat, läuft zurzeit eine erste Erhebung zu dem Thema. „Wir gehen davon aus, dass ein Teil der Hausärztinnen und Hausärzte tatsächlich ganze Familien versorgt. Aber wir wissen nicht, wie viele es sind und ob sie für die Aufgabe optimal aufgestellt sind“, sagt Wilm.
Klar ist für ihn, dass Hausärzte und Hausärztinnen für die familienmedizinische Versorgung fit gemacht werden müssen. „Man braucht gewisse kommunikative Kompetenzen, um mit Familien umzugehen.“ Er hält Familienkonferenzen für ein sinnvolles Instrument in den Praxen. Sie seien aber eine Herausforderung. „Hausärzte müssen sich entsprechend fortbilden“, fordert der Allgemeinmediziner, der in einer Gemeinschaftspraxis im Kölner Norden arbeitet.
Angepasste Praxiszeiten nötig
Für die familienmedizinische Versorgung müssten auch die Praxiszeiten angepasst werden, damit etwa der berufstätige Mann mit seiner dementen Mutter kommen kann. „Viele Praxen stellen sich schon darauf ein, aber da ist noch viel möglich.“
Handlungsbedarf sieht Wilm auch bei der Vergütung. Er fordert spezifische Abrechnungsziffern für die Familienkonferenzen oder Gruppenberatungen. Denn nach einer explorativen, nicht repräsentativen Erhebung des Instituts kommt rund ein Drittel der Patienten mit einer Begleitperson in die Hausarztpraxis, auch wieder weitgehend unabhängig von den jeweiligen Lebensumständen. „Die Menschen möchten das, und wir als Ärzte möchten das auch“, betont Wilm.