Rauchstopp

Hausarzt geht für seine Entwöhnungs-Patienten auf die Barrikaden

Ein Hausarzt will bis vor das Bundessozialgericht gehen, um für seine GKV-Patienten die Raucherentwöhnung auf Kasse durchzuboxen. Wie sind die Erfolgsaussichten?

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Nicht alle Hausarztpatienten können sich eine Raucherentwöhnung auf IGeL-Basis leisten.

Nicht alle Hausarztpatienten können sich eine Raucherentwöhnung auf IGeL-Basis leisten.

© Sven Weber / stock.adobe.com

KIEL. Trotz eines Rückschlags vor dem Landessozialgericht (LSG) in Schleswig will Hausarzt Dr. Ulf Ratje aus Eckernförde weiter für mehr Hilfe durch die GKV für Raucher kämpfen. Das Landessozialgericht in Schleswig hat die Klage einer seiner Patienten zur Kostenerstattung ihrer Raucherentwöhnungstherapien kürzlich abgewiesen und keine Revision zugelassen.

Um dennoch vor das Bundessozialgericht zu gelangen, wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht. "Die Ablehnungsquote beträgt über 90 Prozent", betrachtet Ratje die Aussicht auf Erfolg dieses Wegs nüchtern.

Nachdem er mit weiteren Medizinern und mit Juristen das für sie enttäuschende Urteil des Schleswiger LSG aufgebarbeitet hat, sieht er im Fall eines weiteren Patienten, dessen Fall voraussichtlich im kommenden Jahr in Schleswig verhandelt wird, aber Erfolgschancen.

Landessozialgericht kippt Anspruch

Es geht um die Frage, wer die Kosten für Raucherentwöhnungsbehandlungen übernehmen muss. Das LSG stellte dazu in seinen Entscheidungsgründen klar: "Auch bei chronisch Kranken gehört die Raucherentwöhnung nicht zum Kernbereich der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Leistungen. Behandlungserfolg sowie Sinn und Zweck der Therapie sind nicht in Frage gestellt, wenn die Kosten zur Stärkung der Eigenverantwortung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden."

Paragraf 20 SGB V sieht zwar Kurse vor. Diese fallen aber unter die Primärprävention und sind nach Meinung Ratjes und weiterer Experten für süchtige Raucher nicht geeignet. Deshalb müssen Ärzte, die wie Ratje Entwöhnungstherapien für Süchtige vornehmen, diese Leistungen nach GOÄ abrechnen – was sich viele Patienten aber nicht leisten können.

Als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung engagiert sich Ratje deshalb seit Jahren dafür, dass der Erstattungsausschluss der Medikamente zur Raucherentwöhnung aus dem Paragrafen 34 des SGB V gestrichen wird.

Dort ist aufgelistet, welche Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen sind, weil bei ihnen nach Ansicht des Gesetzgebers eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Damit wird die Raucherentwöhnung auf eine Stufe mit Mitteln zur Verbesserung des Haarwuchses gestellt – für Ratje falsch.

"Dieser Paragraph ist nach meiner Ansicht politisch motiviert, weil man Angst vor den Kosten hat" sagt Ratje. Enttäuschend ist für ihn, dass sich das Landessozialgericht bei dieser Frage nicht auf medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse einließ. "Der Einsatz der Medikamente führt eben nicht zu einer Erhöhung der Lebensqualität, sondern dämpft die Entzugsbeschwerden", stellt Ratje klar.

Dieses Argument wollen Ratje und weitere Ärzte vor Gericht für einen weiteren Patienten verdeutlichen. Sie streben die Vorlage vor dem Bundesverfassungsgericht an, weil sie den Begründungstext des Paragrafen 34 zum Ausschluss der Medikamente zur Raucherentwöhnung für falsch halten. Nach ihrer Ansicht wird zudem der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz – etwa im Vergleich zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit – missachtet.

Landespolitik wird zur Bühne

Zugleich wollen sie ihre Ansicht politisch stärker einbringen und intensivieren deshalb ihr Engagement durch Gespräche in der Kieler Landespolitik. Dabei wollen sie auch verdeutlichen, dass viele Raucher von den Kosten der Entwöhnungstherapie abgeschreckt werden.

Ratje: "Viele können sich das nicht leisten. Der Anteil der Einkommensschwachen unter den süchtigen Rauchern ist hoch. Nur bei Erfolg spart ihnen die Entwöhnung Geld. Die Rückfallquote liegt bei über 50 Prozent." Entsprechend wenige süchtige Raucher wagen diesen Schritt.

Das Argument, Raucher könnten doch einfach aufhören, bezeichnet er als falsch. Ratje verweist hierbei auf Studien mit rauchenden Schwangeren: Rund ein Drittel schafft es, in der Schwangerschaft aufzuhören, ein Drittel reduziert den Konsum und ein Drittel behält den alten Konsum bei. Ratjes Fazit: Ohne professionelle Unterstützung können viele süchtige Raucher nicht aufhören.

Landessozialgericht Schleswig

Az.: L 5 KR 62/15

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Welche Endpunkte sind patientenrelevant?

Patientenrelevanz: Ein Kommentar aus juristischer Sicht

Kooperation | In Kooperation mit: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Belastungsfähigkeit verbessern

Regelmäßig in die Sauna – hilft das bei Herzinsuffizienz?

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Verbale Blumensträuße für die designierte Bundesgesundheitsministerin: Die Selbstverwaltung setzt auf die Neue an der BMG-Spitze.

© PhotoSG / stock.adobe.com

Update

Juristin an BMG-Spitze

Selbstverwaltung hofft auf neuen Kommunikationsstil unter Nina Warken