Ab Oktober am Start

Herausforderung Medikationsplan

Patienten, die drei oder mehr Medikamente verordnet bekommen haben, sollen ab Oktober mit einem Medikationsplan ausgestattet werden. In der Vorbereitung zur Einführung knirscht es - vor allem an den Schnittstellen des Systems.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Beim Ausfüllen eines Rezepts muss künftig auch der Medikationsplan mit bedacht werden.

Beim Ausfüllen eines Rezepts muss künftig auch der Medikationsplan mit bedacht werden.

© Kzenon/Fotolia.com

BERLIN. Die Verhandlungen von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Bundesärztekammer (BÄK) und dem Deutschen Apothekerverband über die Einführung eines Medikationsplans stehen kurz vor dem Abschluss.

"Wir haben wesentliche Vorarbeiten geleistet. Der Plan liegt vor", sagte die stellvertretende KBV-Vorsitzende Regina Feldmann am Mittwoch in Berlin.

Damit kommen die Organisationen der Selbstverwaltung voraussichtlich fristgerecht einer Vorgabe des Gesetzgebers im E-Health-Gesetz nach, derzufolge bis Ende April die wesentlichen Inhalte der Pläne und der Fahrplan zu seiner Weiterentwicklung stehen sollen.

Bis Ende Juni soll die Vergütung für die Pflege des Medikationsplans zudem im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet sein. Darauf hat die in der KBV zuständige Dezernentin, Dr. Sybille Steiner, am Mittwoch in Berlin verwiesen.

Einen Anspruch auf einen Medikationsplan haben ab dem 1. Oktober 2016 Menschen, die drei oder mehr vom Arzt verordnete Wirkstoffe gleichzeitig einnehmen müssen.

Hausärzte sollen wohl die Medikationspläne erstellen

Die konkreten Verabredungen der Verhandlungspartner sind noch nicht offiziell bekannt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertröstet auf das geplante Veröffentlichungsdatum am 2. Mai.

Mit der Erstellung der Medikationspläne werden aber in der Regel Hausärzte betraut sein, in zweiter Linie die behandelnden Fachärzte.

"Vorrangig geht es darum, die Patienten davon zu überzeugen, die Nachbehandler über die Medikation zu informieren", sagte Feldmann. Wer Psychopharmaka einnehme, wolle nicht unbedingt, dass andere Ärzte und Apotheker davon etwas erführen.

Eine Pflicht von Patienten, den Medikationsplan vorzulegen oder selbst zu aktualisieren, besteht nämlich nicht.

Ärzte-Hopping von Patienten, um zu höheren Verschreibungsmengen zum Beispiel von Schmerzmitteln zu gelangen, lasse sich erst mit einer umfassenden elektronischen Lösung, zum Beispiel der eGK eindämmen. Dann könne es allerdings zu deutlichen Verbesserungen kommen, sagte Feldmann.

Medikationsplan auch als App möglich

Die KBV-Vize verwies am Mittwoch darauf, dass die Apotheker bis 2018 Änderungen an einem Plan auch handschriftlich vornehmen können.

In den zwölf Monaten zwischen dem 1. Januar 2018 und dem 1. Januar 2019 sollen die Daten dann in die elektronische Gesundheitskarte übernommen werden.

Der Medikationsplan könne auch in einer Handy-App geführt werden, heißt es bei der KBV. Der auf dem Formular des Medikationsplans aufgebrachte QR-Code mache dies möglich.

Alle Beteiligten sind sich einig: Perfekt wird die Zwischenlösung auf Papier nicht. Und auch die geplanten elektronischen Nachfolger haben noch Defizite.

Auf dem Wunschzettel steht zum Beispiel eine verpflichtende Interaktionssoftware, die Ärzte im Moment der Verschreibung auf Verordnungsausschlüsse hinweist.

Die gebe es im stationären Sektor, aber seltener in den Praxen niedergelassener Ärzte, hieß es.

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Kommentare
Annett Fischer 21.04.201620:03 Uhr

Das Rad ist schon erfunden aber die wenigsten können fahren.

Meine Erfahrung als Schwester in der Hauskrankenpflege wird hier bei einigen Kopfschütteln verursachen oder gar Ungläubigkeit hervorrufen.
Kaum eine der Arztpraxen sorgt dafür, dass alle Medikamente auf einem Plan stehen.3 oder 4 Einzelpläne zu haben ist auch erstienmal nicht so wichtig aber was noch selbst gekauft wird oder gar homöopathisches bleibt absolut außen vor. Die wenigsten der älteren Patienten sind sensibilisiert mit ihren Medplänen in die Apoteken zu gehen um Wechselwirkungen zu minimieren oder wenigstens zu besprechen, wenn sie sich irgendwas selbst kaufen. Schlafmittel jeglicher Art werden föllig bedenkenlos konsumiert. Nicht zuletzt weil kaum ein Arzt zumindest eine Empfehlung ausspricht. Ganz klassisch auch Schmerzmittel. Ich kenne eher Ärzte die froh sind wenn Ibu selbst gekauft wird. Was ja ersteinmal auch nicht zu verteufeln ist aber hier geht es ja darum, dass nichts von alledem auf irgendeinem Medplan erscheint!! Es ist auch nicht übertrieben, wenn ich jetzt auch noch behaupte, dass bei Arztbesuchen nicht unbedingt die Pläne der anderen Fachrichtungen erfragt bzw eingesehen werden.
Wehrte Ärzte ,sie denken hier wird das Rad neu erfunden? Sie sind der Meinung einen Medplan aktuell für Patient oder Pflegedienst auszudrucken null Problem? Sie meinen Handgeschriebenes ist sauber lesbar (zB Falitrompass)? Mit Nichten!!!
Aus meiner nun 20 jährigen Erfahrung wäre die geplante Interaktion eine überfällige Revulotion wenn sie denn auch von allen umgesetzt wird.
Mit hoffnungsvollen Grüßen

Dr. Albrecht Siegel 20.04.201623:28 Uhr

Das mit dem Rad war auch mein 1. Gedanke!

Mal ehrlich (s.a. Koll. Sitte), welcher Allgemeinmediziner wird wohl seine "mehrfach medikamentös versorgten" Patienten ohne einen Medikamentenplan aus der Praxis lassen, wie soll das sinnvoll funktionieren? Also: gibt´s schon.
Und was soll der Quatsch mit "Perfekt wird die Zwischenlösung auf Papier nicht"? Es gibt Leute (A), die haben Apps, und es gibt Leute (B), die brauchen lange Medikamentenpläne, die meisten davon aus Papier. Es wird wohl nur eine kleinere Schnittmenge aus A und B geben, die mit Papier nicht zurechtkommen und dringlichst eine Medikationsapp brauchen.
Unter "Allen Beteiligten" scheint keiner zu sein, der irgendwas mit Versorgungsrealität zu tun hat oder Senioren kennt.
Übrigens kann ich aus eigener Erfahrung mitteilen, dass es durchaus möglich ist, eine Interaktionssoftware zu nutzen und trotzdem Papierpläne auszudrucken.

Dr. Thomas Georg Schätzler 20.04.201622:41 Uhr

"Wer wird denn gleich in die Luft gehen?"

"Greife lieber zur HB!" - nee, äh, zum Medikamentenplan! Aus der Zeit, als diese Zigaretten-Werbung mit dem "in die Luft" gehenden "HB-Männchen" noch Tagesgespräch war, stammten die ersten handgeschriebenen Medikamentenpläne für meinen Großvater, Dr. Rudolf Schätzler, Altphilologe für Griechisch und Latein, von seinem Hausarzt und Chirurgen Dr. W. Bracht, der schräg gegenüber auf der Manfred-von-Richthofen-Str. in Berlin-Tempelhof seine hausärztliche Praxis führte.

Denn schon damals wurde meinem Opa als GKV-"Kassenpatienten" jedes Rezept mit Arztsignatur in der Apotheke weggenommen, damit er nur ja nicht nachlesen konnte, was ihm da unser hochgeschätzter Haus- und Familienarzt für drei Generationen verschrieben hatte.

Bis heute habe ich seit meiner Praxisgründung 1992 Medikamentenpläne in Gebrauch, elektronisch gespeichert und ausgedruckt seit 1995 bis zum heutigen Praxistag. Kein persönlich an den Patienten gerichtetes Rezept (Rp. ist die lateinische Abkürzung für recipe = "nimm") verlässt meine Praxis ohne die Signatur der Medikamenten-Einnahmevorschrift. Das ist der letzte Teil der Rezepturanweisung, der mit signa (lat.) "bezeichne" aus M.D.S., oder eigenständig mit S. abgekürzt wird. Er nennt die Anzahl und Dauer der Anwendung des Arzneimittels und gegebenenfalls besondere Anwendungshinweise.

Und immer noch wird den Patienten/-innen das GKV-Rezept der Vertragsärzte nach Muster 16 mit essenziellen Informationen für ihre Behandlung in den Apotheken, selbst im Zeitalter von online-Übertragung an EDV-Apotheken-Rechenzentren, einfach weggenommen. D a s, und nichts anderes, ist die eigentliche Ursache für die Notwendigkeit von Medikamentenplänen! Der Patient verlässt nach mehreren Arztbesuchen die Apotheke mit mehreren Pillenschachteln und rätselt zu Hause, wer aus verschiedene Fachrichtungen im das alles wohl verschrieben hat?

Aber was, um alles in der Welt, hat dann die in dieser Frage offenkundig ahistorisch debattierenden, dilettierenden und hinterwäldlerisch agierenden Funktionäre der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer (BÄK) und des Deutschen Apothekerverbands nur dazu getrieben, über eine scheinbare Neu-Einführung und Pseudo-Innovation eines Medikationsplans zu schwadronieren? Ganz so, als wären wir Vertragsärzte zu dämlich, das Wort "Medikamentenplan" richtig lesen und schreiben zu können?

Warum haben sie nur kein Rückgrat gezeigt und sind aufgestanden, um Politik, Medien und Öffentlichkeit wachzurütteln, dass seit alters her das ärztliche Rezept ein personalisiertes Rp.: recipe (lat.) "nimm" bedeutet, die Einnahmevorschrift mit S.: signa (lat.) "bezeichne" formuliert bzw. die Apotheken-Anfertigung mit M.D.S.: misce, da, signa (lat.) "mische, gib und bezeichne" beschrieben werden? Oder die zusätzliche, schriftlich zusammenfassende Medikationsplanung zum Kerngeschäft strukturierter hausärztlicher Versorgung gehört? Und dass Rezepte nach Muster 16 wieder in die Hände der Patienten z u r ü c k und n i c h t allein in die Fänge der Abrechnungs-Bürokratie gelangen müssten?

Stattdessen katzbuckeln unsere Funktionärseliten in aller Öffentlichkeit ebenso versorgung- wie medizin-bildungsfern bzw. werfen sich in den Staub. Ganz so, als wären nur und ausschließlich wir Vertrags-Ärztinnen und -Ärzte mal wieder selbst an Allem schuld, weil unsere Patienten sich nicht mehr erinnern können oder wollen, von welchem Arzt sie wie und wann welche Medikamente einnehmen sollten: Die Apotheke hat es zwar (hoffentlich!) wenigstens auf der Umverpackung vermerkt, aber diese landete ja schon vor Wochen im Altpapier-Container…

Aber wie schon gesagt: "Wer wird denn gleich in die Luft gehen?"

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Thomas Sitte 20.04.201612:11 Uhr

Zukunftsaufgabe Medikationsplan?!

Alle meine Patienten bekommen schon seit rund 20 Jahren einen ordentlich lesbaren, übersichtlichen Computerausdruck mit den Medikamenten, Indikationen und Dosierungen. Der wird auch bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt aktualisiert und umfasst alle Medikamente aller Behandler (ja, auch der Heilpraktiker…).

Man kann das Rad immer wieder neu erfinden.

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